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Ein typisches Ganni-Outfit: Häkelmütze zu Leder und weiter Hose.

© promo

Mode aus Dänemark: #GanniGirls, digitale Freundlinnen

Das dänische Modelabel Ganni funktioniert so gut, weil Frauen in Kopenhagen hervorragende Stilvorbilder sind.

Ein Bauarbeiter, ein Ingenieur und ein Techniker begutachten gemeinsam eine Baustelle. Alle tragen Helme auf dem Kopf, aber es ist nicht der Dienst nach Vorschrift, der Andrea Baldo im Kopf geblieben ist: „Alle drei waren Frauen, können Sie das glauben!“, sagt der Süditaliener mit leuchtenden Augen. An diese Begegnung in der dänischen Hauptstadt muss Baldo immer denken, wenn er nach dem Schlüssel zum Erfolg der Marke gefragt wird. 2018 zog er von London nach Kopenhagen, um beim Label Ganni als Geschäftsführer anzufangen. Er sagt: „Die Frauen in Kopenhagen haben eine lässige Weiblichkeit. Das ist mehr eine Frage der Haltung als des Stils.“ Ganni, das ist die coole dänische Antwort auf französische Nonchalance.

Weil diese Haltung auch modisch so universal wie zeitgemäß ist, meint man derzeit, in sämtlichen Großstädten von Berlin bis Los Angeles Frauen in diesem Stil wiederzuerkennen. Der wird von Ganni in den sozialen Medien, Werbekampagnen und auch zweimal im Jahr auf der Kopenhagener Fashion Week zelebriert: Ein Blümchenkleid zu Cowboystiefeln, eine Jeansweste über einer Leopardenbluse mit Puffärmeln zum Glitzerrock, ausgetretene Turnschuhe zum bodenlangen Abendkleid. Auf der Modenschau Ende Januar kamen noch jede Menge Lederoutfits, brave Blusen mit Rüschenkragen, Blazer und viel Strick dazu.

Das Model Helena Christensen kurbelte mit einem Foto auf Instagram die Geschäfte an

Die laut Selbstaussage am schnellsten wachsende Modemarke Dänemarks wurde 2000 von einem Kopenhagener Galeristen als Label für hochwertige Kaschmirwaren gegründet. Richtig los ging es aber erst, als 2009 das Ehepaar Ditte und Nicolaj Reffstrup einstieg. Ditte Reffstrup hatte zuvor bei Bruuns Bazaar als Einkäuferin gearbeitet, ihr Mann in der Tech-Branche. Sie übernahm den kreativen Part, er die Geschäftsleitung.

Das fiel genau in die Zeit, als der „Scandi Style“, also Mode und Design aus Skandinavien, ein Hoch hatte. Dem etwas kühlen nordischen Understatement fügten die Reffstrups ihre unangestrengt modische, auch mal verspielte Note hinzu – das, was die Frauen in Kopenhagen auf der Straße tragen. Die Designerin verkörpert das Bild dieser modernen Ganni-Frau dabei selbst wie keine Zweite. Die dreifache Mutter und Karrierefrau, die morgens ihre Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fährt und abends ihre Freundinnen zum Tanzen trifft. Allem passt sich ihre Garderobe mühelos an. Sie selbst sagt: „Ich entwerfe nichts, was ich nicht selbst tragen würde.“

Hinter den Kulissen der Ganni-Schau: Knautschleder und Oversize-Blazer.
Hinter den Kulissen der Ganni-Schau: Knautschleder und Oversize-Blazer.

© Thornfeldt

Tatsächlich ist es aber nicht die Frau, sondern das „Girl“, das bei Ganni den Erfolg erst richtig angekurbelt hat. 2015 postete das dänische Model Helena Christensen auf Instagram ein gemeinsames Foto von sich und Kate Bosworth, beide Ganni-Klamotten, und versah das ganze mit dem Hashtag #GanniGirls. Viele junge Frauen taten es ihr gleich, mittlerweile finden sich unter dem Schlagwort über 40 000 Beiträge.

„Das war kein Marketing-Coup, sondern kam aus der Community heraus“, sagt Andrea Baldo. „Deshalb wird die Marke als authentisch wahrgenommen.“ Ganni gilt als Vorzeigebeispiel dafür, wie die sozialen Medien bei der Markenbildung helfen können. Eine Anekdote mit Rihanna erklärt das gut. Einmal trug der Megastar ein Outfit des Labels, auf die Verkäufe hatte das wider Erwarten kaum Einfluss. Manchmal wiederum führt der Post einer Influencerin mit gerade mal 3000 Followern dazu, dass die Marke an die 100 Kleider des gezeigten Modells verkauft.

Rund 30 Prozent von Gannis Kundinnen sind unter 25

GanniGirls sind so was wie digitale Freundinnen, von denen man gern ein Lieblingsteil borgen würde; die Influencerinnen wirken nahbarer als große Stars. Bei den Modenschauen sitzen die Influencerinnen in der ersten Reihe. Viele von ihnen wie Lucy Williams, Susie Bubble, Sylvia Haghjoo und Ana Kraš unterstützen die Marke schon lange. Angeblich, ohne dafür Geld zu verlangen, was in der Branche das Übliche wäre.

Vor allem bei der Generation Z kommt das gut an. Rund 30 Prozent von Gannis Kundinnen sind unter 25. Der Preis dürfte da auch eine Rolle spielen. Ganni, mit eigenen Geschäften und in rund 400 Geschäften in über 20 Ländern vertreten, hat es geschafft, sich auf Luxusplattformen wie Net-a-Porter oder Matchesfashion zu positionieren und dabei erschwinglich zu bleiben. Ein Top gibt es für etwa 60 Euro, eines der auffälligen langen Kleider für rund 250 Euro. Dass Ganni gerade junge Käuferinnen so gut anspricht, liegt vielleicht auch daran, dass der Altersdurchschnitt auch im Unternehmen recht jung ist, „um die 30“, sagt Baldo.

#Gannigirls backstage während der Kopenhagener Fashion Week.
#Gannigirls backstage während der Kopenhagener Fashion Week.

© Thorfeldt

Jedenfalls ist der digitale Erfolg auch ein Grund dafür, dass sich die internationale Expansion jetzt gut vorantreiben lässt. Zu diesem Zweck wurde Baldo geholt, der zuvor im Management von Unternehmen wie Marni, Maison Margiela und Diesel gearbeitet hatte. Schon 2017 investierte die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft L Catterton in Ganni. L Catterton ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Catterton, LVMH und dessen Eigentümerfamilie Arnault und jetzt der neue Mehrheitseigentümer von Ganni.

2019 wurden neue Geschäfte in London, New York, Miami und Los Angeles eröffnet. Dabei soll es nicht bleiben. Als Andrea Baldo im Januar während der Berliner Fashion Week auf der Fashion-Tech-Konferenz sprach, sagte er, er sei mit offenen Augen durch die Stadt gegangen, immer auf der Suche nach neuen Ladenflächen.

Auch bei Ganni ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema

Apropos Fashion Tech: Auch die Technisierung treibt Ganni derzeit weiter voran. Obwohl das Unternehmen langfristig an Offline-Erlebnisse in seinen Shops glaubt, wird digital weiter gedacht, derzeit etwa in Richtung bargeld- und kartenlose Bezahlmethoden. Außerdem ist Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Thema geworden.

Ganni hat sich 2017 zum „UN Global Compact“ bekannt, einer Initiative für verantwortungsvolle Unternehmensführung. Das umfasst die Bereiche Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umwelt und Korruptionsprävention. Von der Verwendung nachhaltiger Materialien über den Transport bis zum Umgang mit Ressourcen in den Büros möchte Ganni bis 2030 30 Prozent CO2-Emissionen einsparen. Das passt zum dänischen Lebensstil: Kopenhagen will bis 2025 die erste klimaneutrale Hauptstadt der Welt werden.

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