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Skulpturen zum Anziehen hat Tra My Nguyen entworfen.

© promo

Interview zur Messe Fashion Positions: Mode sammeln, Kunst anziehen

Auf der Messe Fashion Positions zeigen Modedesigner, wie nah sie der Kunst sind. Ein Gespräch mit den Veranstaltern.

Von Susanna Nieder

Wir haben mit Kristian Jarmuschek, dem Chef der Kunstmesse Positions, Mira von der Osten (Cruba) und Olaf Kranz (Brachmann) darüber gesprochen, was die Zukunft der Berliner Mode mit dem Messeformat Fashion Positions zu tun hat.

Die Fashion Positions findet zum zweiten Mal statt, nun zusammen mit der Kunstmesse Positions im Flughafen Tempelhof. Hat sich das Konzept verändert?

Kristian Jarmuschek: Nur der Rahmen hat sich verändert, nicht der Grundgedanke. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es für die Modedesigner in Berlin gut wäre, einen ähnlichen Umgang mit der Öffentlichkeit zu haben wie Galerien.

Was bedeutet das?

Jarmuschek: Wir sprechen davon, Mode zu sammeln wie Kunst. Wie man in eine Galerie geht, wenn man sich für eine neue Arbeit interessiert, kommt man bei Designern vorbei.

Olaf Kranz: Wir wollen durch die Kooperation die Aufmerksamkeit auf die Kreativität Berliner Modedesigner lenken.

Kringel auf einem Kleid von Starstyling.
Kringel auf einem Kleid von Starstyling.

© Starstyling

Was unterscheidet eine Kunst- von einer Modemesse?

Mira von der Osten: Diese Kunstmesse ist eine ganz andere Veranstaltung als eine Modemesse, weil die Leute viel mehr herangeführt werden. Auf der Positions gibt es Führungen, es wird viel kommuniziert. Im Gegensatz zum letzten Jahr sind wir jetzt wirklich neben der Kunst. Alle ausstellenden Designer arbeiten in Kooperation mit Künstlern oder stellen ihre eigenen Arbeiten als künstlerische Position in der Mode dar. Viele davon werden in Berlin gar nicht wahrgenommen.

[Die Fashion Positions findet vom 11. bis 13. September auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof statt. Tickets gibt es hier.]

Wer zum Beispiel?

Von der Osten: Das Schuhlabel Trippen wird hier in einer Nische gesehen, diese Wahrnehmung ist im Ausland ganz anders. Es gibt ein großes Interesse, das zu korrigieren.

Olaf Kranz: Esther Perbandt, die in diesem Jahr sehr stark geworden ist durch ihren Erfolg bei der US-Fernsehsendung „Making the Cut“. Frank Leder, der schon viele Jahre in Asien, vor allem in Japan, eine Berühmtheit ist, ohne in Deutschland gekannt zu werden. Die Hochschulabsolventin Tra My Nguyen wurde sogar gerade von Balenciaga kopiert.

Wie werden Sie die Mode präsentieren?

Jarmuschek: Die Rhetorik einer Kunstmesse ist eine ganz andere als die einer Modemesse. Es geht nicht darum zu zeigen, was man alles hat, sondern mit einem Kunstwerk oder Kleidungsstück darauf hinzuweisen: Was ist die Idee? Das Publikum auf Kunstmessen ist gewohnt, sich mit ästhetischen Positionen auseinanderzusetzen. Wir wollen die Erkenntnis fördern: Mode ist ein ästhetisches Erlebnis. Letztes Jahr waren manche Modedesigner überrascht durch die Intensität der Gespräche. Es kann dann sein, dass die Leute, die viel fragen, ein halbes Jahr später im Atelier stehen und sehen wollen, was die Künstler oder Designer sonst machen. Bei kommerziellen Modemessen wird angeschaut und geordert.

Können Sie das als Designer bestätigen?

Kranz: Die Positions ist auch eine Kommunikationsplattform, wo man entdeckt wird, ins Gespräch kommt, wo sich die Leute für die Story, die Handschrift, die Position interessieren. Wir übernehmen manche Begriffe aus der Kunst, um eine Anschlussfähigkeit herzustellen. Das Konzept, Mode zu sammeln, hat das letzte Mal funktioniert. Viele Berliner Designer machen nachhaltige Modestücke, deren ästhetische Relevanz länger dauert als eine Saison. Wir zielen auf den Kleiderschrank ab, den die Leute sich systematisch erstellen. Wir wollen auf den Wandel der Geschäftsmodelle in der Mode reagieren, die weggehen vom Großhandel und hin zu direkten Beziehungen mit den Kunden.

Die Jacke ist von Cruba, das Bild von Mark Milroy.
Die Jacke ist von Cruba, das Bild von Mark Milroy.

© Irina Gavrich und Mark Millroy

Was ist der Mehrwert für die Kunst, wenn Mode dabei ist?

Jarmuschek: Ich hoffe, dass noch mehr Leute wegen der Mode auf die Messe kommen und dann auch Kunst entdecken. Manchmal verlieren wir in Berlin ein bisschen die Neugier, die zum Beispiel die Musik in den neunziger Jahren groß gemacht hat. Wir können nur ausprobieren und feststellen, was passiert, wenn die Kreativen und diejenigen zusammenkommen, die sich für Kreativität interessieren.

Wie wird Mode durch Corona beeinflusst?

Kranz: Wer Loungewear oder Yogakleidung macht und online stark ist, hat gewonnen, mit stationärem Handel und Anlasskleidung sieht es anders aus. Die Branche rechnet mit Einbrüchen von 25 bis 50 Prozent. Wir wollen mit der Fashion Positions ein Zeichen von Zuversicht, Zukunftskraft und Schöpfungswillen setzen und sagen: Wir sind hier.

Von der Osten: Die Tendenz, durch Onlinepräsenz direkter an die Kunden heranzutreten, hat sich sehr verstärkt. Viele von denen, die ihren Markt weit weg haben, mussten erfahren, wie beeinträchtigend es ist, wenn dort ein Lockdown ist. Das hat das Bedürfnis geweckt, auch national präsent zu sein. In Deutschland gibt es zurzeit keine drei Modedesigner, die jeder kennt.

Wie ist es den kleinen Labels ergangen?

In der Krise war es ein Vorteil, die Produktion in der Nähe zu haben. Dass man nicht ein halbes Jahr vorher die ganze Kollektion produziert und geliefert bekommen hat, sondern sofort reagieren konnte. Gleichzeitig stelle ich fest, dass die Kunden mit viel mehr Zeit einkaufen, viel offener sind, sich wieder an Mode herantrauen. Mode ist die Schnittstelle, an der man sich mit seiner Kultur identifiziert.

Also ist es ein Vorteil, nachhaltig und lokal zu produzieren?

Olaf und mich treibt bei unserer Arbeit beim Verein Berliner Modedesigner die Frage um: Wieso spielen wir nicht Berlin international als die Modestadt für unabhängiges und nachhaltiges Design aus? Mit kleineren Strukturen und der Kreativität, um die uns die ganze Welt beneidet, weil das bei unseren Mieten noch möglich ist. Es kommen Leute von überall, um hier Labels zu starten. Wir wertschätzen das nicht genug.

Präsentieren sich nur Mitglieder des Vereins der Berliner Designer?

Kranz: Nein. Die Ausschreibung war offen, auch weil die Fashion Positions vom Senat großzügig gefördert wird. Wir wollen stilistische Breite und unterschiedliche Designergenerationen zeigen.

Und es werden Auszeichnungen verliehen.

Kranz: Wie der Senat hat auch die Berliner Sparkasse sehr offen darauf reagiert, in den Kunstbereich zu gehen. Eine Jury verleiht einen Award für die beste Schnittstelle zwischen Mode und Kunst und wir können sechs Graduierte aus Berliner Hochschulen einladen, das freut uns sehr. Einer von denen bekommt den Academy Award.

Von der Osten: Die ganze Messe ist auch digital erlebbar. Wer nicht kommen will, kann jeden Stand live virtuell besuchen. Man kann dort eine Person kontaktieren, die über ein Tablet eine Führung macht.

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