zum Hauptinhalt
Raheem Sterling und Harry Kane beim Spiel gegen die Ukraine.

© Alberto Lingeria/Pool/AFP

Die Frisuren der EM: Handwerker statt Diven

Bei dieser Europameisterschaft gibt es dieses Mal keine spektakulären Frisuren auf dem Platz - das passt zum soliden Spiel.

Von Susanna Nieder

Sich einen weißen Streifen ins schwarze Haar bleichen lassen, okay. Aber was sollte dieser blaue Punkt über der Stirn? Das sah aus wie selbst über dem Waschbecken gefärbt und danebengegangen. Um so einen Look wettzumachen, muss man schon ein Wahnsinnstor schießen wie Pogba gegen die Schweiz (auch wenn es den Franzosen am Ende doch nichts genützt hat).

Bei dieser EM fällt auf, dass die Fußballer sich davon verabschiedet haben, sich wie Diven zu stylen. Neue Tattoos werden kaum noch präsentiert, die an den Armen von älteren Herrschaften wie dem 30-jährigen Toni Kroos gehen grünlich ins Muster über.
Auch die ausrasierten Zacken, Kringel und Muster, die gefärbten Irokesen und Zöpfchen der vergangenen Jahre sind weitgehend von den Köpfen verschwunden. Wer jetzt immer noch Dutt trägt wie der Österreicher Marcel Sabitzer oder der Waliser Gareth Bale, fummelt ihn sich irgendwie zurecht, und wenn dazu die Haare im Nacken rasiert sind, dann meistens eher nachlässig.

Heute überwiegt der praktische Fassonschnitt, mal ganz kurz im Nacken und über den Ohren, mal so zeitlos unauffällig wie der von Thomas Müller, der noch nie eine Frisur getragen hat, sondern immer nur einen Haarschnitt. Bei schwarzen Spielern wie dem Franzosen Kylian Mbappé und dem Engländer Raheem Sterling sind superkurze Haare in, die über der Stirn in einem leichten Bogen und zwei scharfen Kanten enden. Serge Gnabry favorisiert einen ordentlich gestutzten Mushroom-Afro. Der wäre früher ein politisches Statement gewesen wie die Matte von Paul Breitner 1974. Heute wirkt er so solide, dass es fast spießig ist. Das kann allerdings auch passieren, wenn man eine ehemals coole Frisur zu lange trägt wie Günter Netzer. Das wehende Haar der Siebziger war 30 Jahre später dünn und müde geworden.

Das pragmatische Aussehen der heutigen Fußballer passt dazu, wie bei dieser EM gespielt wird, nämlich ohne Drama und Lamento. Das waren noch Zeiten, als der Kolumbianer Carlos Valderrama Ende der Achtziger mit blondierter Lockenpracht über den Platz wippte und keine Gelegenheit ausließ, minutenlange Tragödien zum Besten zu geben. Heute soll einfach der Ball ins Tor, und wenn ein Spieler hinfällt, steht er so schnell wie möglich wieder auf und rennt weiter.

22 austrainierte Männer mit weitgehend unauffälligen Haarschnitten in Trikots und bunten Schuhen der immer gleichen Ausstatter sollen sich derzeit offenbar einzig dadurch unterscheiden, wie sie spielen. Wenn es dadurch so spannend wird wie in den Spielen Österreich-Italien oder Schweiz-Frankreich, kann das nur gut sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false