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Vorbild. Eva Mückes kühner Schwung prägte Generationen von DesignerInnen an der KHB.

© Eva Mücke, „Figurine im kubistischen Stil“, 1986

Ausstellung in Reinbeckhallen: Mode in der DDR - Ein Alptraum aus Dederon?

Die Ausstellung „Zwischen Schein und Sein“ in Oberschöneweide schafft die Grundlage für ein differenzierteres Bild der ostdeutschen Modeszene.

Von Ingolf Patz

„Nach 30 Jahren kann man doch mal sagen, wie es wirklich war!“ Ute Lindner regt sich auf. Für ihre Ausstellung „Zwischen Schein und Sein. Modegrafik in der DDR 1960–1989“ hätte sie gerne folgendes Rätsel gelöst: Wie konnte es sein, dass in der DDR ein Modeinstitut mit einem hoch qualifizierten Team von zuletzt 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Musterkollektionen auf internationalem Niveau entwarf, die dann aber aus Mangel an Ressourcen nicht umgesetzt wurden. Denn: „Wir wollen keine Bedürfnisse wecken, die wir nicht bedienen können.“ Fast 30 Jahre lang. „Das Modeinstitut war die Institution, an der sich das politische Defizit der DDR am stärksten zeigte. Wie konnte es bloß zu diesem andauernden Irrsinn kommen?“, fragt die Modedesignerin. Doch die Kollegen von damals schweigen. „Vielleicht haben sie das Gefühl, ihr Vermächtnis schützen zu müssen“, vermutet sie.

Ute Lindner steht im riesigen Ausstellungsbereich der Reinbeckhallen in Oberschöneweide. An den Wänden hängen zahlreiche Modezeichnungen, mal sachlich, mal expressiv, Anleitungen für die Produktion und flüchtige Impressionen. Für eine Ausstellung moderner Zeichenkunst ist das eine luxuriöse Präsentation. „Mir ging es darum, dass endlich einmal die Modegestalter der DDR eine gebührende Würdigung erhalten, auch namentlich“, sagt Lindner. „In der DDR haben sie ja anonym gearbeitet, im Kollektiv.“ Und so sind es nun die signierten Zeichnungen, die nicht nur 30 Jahre Modegeschichte erzählen, sondern individuelle Stile und Künstlerpersönlichkeiten sichtbar werden lassen. Eine so einfache wie geniale Idee.

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Einige Werke von berühmten Fotografinnen und Fotografen der DDR wie Sibylle Bergemann, Arno Fischer oder Ute Mahler zeigen, wie sie die Bildsprache der Designerinnen in ihre Fotografien übertrugen oder künstlerisch auf sie reagierten. Lindner will aber nicht nur eine eingeschworene Gemeinschaft aus Gestalterinnen, Fotografen und Redakteurinnen präsentieren, insbesondere des legendären Modemagazins „Sibylle“. Sie macht sehr deutlich, dass sie die bisher namenlosen Designerinnen auf Augenhöhe von Bergemann & Co sieht.

Anspruchsvolle Entwürfe aus importiertem Stoff

Lore Jörn, Sabine Kahane-Noll, Anne Kranz-Mogel, Sabine Zache und viele mehr warten auf ihre Entdeckung. Diejenigen, die die sechziger Jahre prägten, sind heute um die 80, das Ausstellungsprojekt kommt also keine Minute zu früh. Das Kunstgewerbemuseum oder die Lipperheidesche Kostümbibliothek sollten jetzt oder nie Material und Wissen sichern und das Thema ernsthaft aufarbeiten. „Bisher hat sich leider keine der von mir kontaktierten Institutionen gemeldet.“ Ute Lindner bedauert das und hofft, dass ein Erfolg der Ausstellung daran etwas ändern wird.

Lindner hat in den achtziger Jahren an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert. Dort wurde, dem Bauhaus-Gedanken folgend, viel Wert auf ein umfassendes künstlerisches Grundstudium gelegt und besonders auf das Zeichnen als Voraussetzung jeder gestalterischen Tätigkeit. 1981 übernahm Artur Winter das Fachgebiet Mode. Er war zugleich künstlerischer Leiter des VHB Exquisit, neben dem Modeinstitut die zweite wichtige Modeeinrichtung der DDR. Hier wurden anspruchsvolle Entwürfe tatsächlich in sehr geringen Stückzahlen aus importierten, hochwertigen Stoffen produziert und teuer verkauft. Ein Traum für DDR-Bürger, die es sich leisten konnten – aber auch für die Designer.

Die damalige Modestudentin Ute Lindner war bei Exquisit als Führungskraft vorgesehen und durfte im Zuge einer zunehmenden Öffnung der DDR 1987/88 für acht Monate nach Paris reisen, um bei führenden Modedesignern zu assistieren. „Das war toll für mich. Aber fragen Sie nicht, was mit mir war, als ich zurückkam, in was für ein Loch ich gefallen bin. Es war grausam“, sagt sie. „Aber nicht zurückzugehen, darüber hatte ich nie nachgedacht. Ich wollte ja Mode machen. In Paris wurde unmenschlich geschuftet. Das konnte und wollte ich nicht.“ Dafür waren die Aussichten zu Hause in der DDR zu komfortabel.

Doch nicht mehr lange. Mit der Wende wurde der VHB Exquisit bereits nach einem Jahr abgewickelt, die Kunsthochschule Weißensee musste zunächst ums Überleben kämpfen. Doch Lindner und ihre Kommilitonen fanden gute Jobs oder arbeiteten selbstständig. Wenn nicht in der Mode, dann in verwandten Kreativbranchen. Der gekonnte Strich hielt ihnen alle Möglichkeiten offen – bis zum Siegeszug des Computers.

Reinbeckhallen, Reinbeckstr. 17, Oberschöneweide, 13.1.–31.3., Do/Fr 16–20 Uhr, Sa/So 11–20 Uhr, 5/3 €

Ingolf Patz

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