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Mehr als Holzabfall: Sägespäne könnten wertvolle Rohstoffe für die Industrie liefern.

© Shutterstock/Parilov

Mikrobiologie: Sägespäne statt Erdöl

Mikroorganismen sollen helfen, aus dem Feinspan von Hölzern Grundbausteine für die chemische Industrie zu gewinnen.

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. In Sägewerken werden diese „Sägenebenprodukte“ in großen Silos gelagert und später unter anderem zu Pressspanplatten verarbeitet oder verheizt. „Bei dieser Art der Verwertung wird der Rohstoff Feinspan allerdings wenig wertschöpfend genutzt“, sagt Jens Baumgardt vom Institut für Biologie der Freien Universität Berlin.

Der promovierte Mikrobiologe möchte die Holzreste stattdessen von Mikroorganismen zerlegen lassen, um auf diese Weise aromatische Bausteine zu gewinnen, die in der chemischen und pharmazeutischen Industrie anstelle von Erdöl zur Herstellung von Farben, Lacken und anderen höherwertigen Produkten eingesetzt werden können. Gemeinsam mit Rupert Mutzel, Professor für Mikrobiologie an der Freien Universität, hat der Wissenschaftler erfolgreich einen Projektantrag beim Waldklimafonds gestellt, einer Initiative des Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministeriums mit dem Ziel, die heimischen Wälder an den Klimawandel anzupassen und den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu mindern. Das Projekt „ChemSnep“ wird bis Ende 2021 mit rund 630 000 Euro gefördert.

Das „ChemSnep“-Team arbeitet an Lösungen: Christian Gleisberg (hinten li.) und  Jens Baumgardt (hinten re.) sowie die Masterstudentinnen Sarah Bleile (vorne li.) und Miriam Müller (vorne re.).
Das „ChemSnep“-Team arbeitet an Lösungen: Christian Gleisberg (hinten li.) und  Jens Baumgardt (hinten re.) sowie die Masterstudentinnen Sarah Bleile (vorne li.) und Miriam Müller (vorne re.).

© Marion Kuka

„Der Wechsel vom fossilen Rohstoff Erdöl zu einem nachwachsenden Rohstoff bietet sich dann an, wenn dadurch keine Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln entsteht“, sagt Jens Baumgardt. „So sind wir auf die Nutzung von Feinspan aus Laub- und Nadelhölzern gekommen.“ Bestenfalls führe diese Art der Wertschöpfung zu einer stärkeren Aufforstung, weil Hölzer auch als Lieferant für chemische Substanzen betrachtet würden. Holzverarbeitende Betriebe könnten damit zusätzliche Einnahmen erzielen. Das sei besonders für Firmen in Deutschland interessant, weil viele damit zu kämpfen hätten, dass in osteuropäischen Ländern oftmals billiger produziert werde.

Späne lassen sich in viele verwertbarer Bestandteile zerlegen

Sägespäne enthalten Lignocellulose, die wiederum aus Lignin, Cellulose und Hemicellulose besteht. Besonders Lignin hat es in sich: Es lässt sich in eine Vielzahl wirtschaftlich verwertbarer Bestandteile zerlegen, etwa in Alkohole und phenolische Verbindungen. Das Herausarbeiten der wertvollen Stoffe sollen Bakterien übernehmen. „Welche Mikroorganismen das am Ende sein werden, wissen wir noch nicht genau“, sagt Jens Baumgardt. Er plant Testreihen mit verschiedenen Arten, die in der Literatur als geeignet beschrieben werden, und mit solchen, die sein Team selbst isoliert hat. In beiden Fällen handelt es sich um Bakterien und Pilze, die auch natürlicherweise in ligninhaltigen Habitaten vorkommen.

„Wir wollen einen Weg finden, diesen mikrobiellen Kraftwerken die Arbeit sozusagen schmackhaft zu machen“, sagt Baumgardt. Ein Lignin-Polymer könne man sich wie ein Puzzle vorstellen, in dem die Puzzleteile mittels Kohlenstoffverbindungen zusammengefügt seien. Die Bakterien und Pilze ernährten sich von energie- und nährstoffreichen Puzzleteilen und nutzten hierfür Enzyme, die das Lignin-Puzzle zerlegen. Sein Team wolle nun herausfinden, welche Mikroorganismen unter welchen physikalischen und chemischen Bedingungen wirtschaftlich verwertbare Substanzen produzieren, fasst der Projektleiter zusammen.

In der Petrischale zerlegen Mikroorganismen Fichte-Feinspan in chemische Bestandteile.
In der Petrischale zerlegen Mikroorganismen Fichte-Feinspan in chemische Bestandteile.

© Marion Kuka

Die Testreihen werden zunächst im Labormaßstab angesetzt – also in speziell angefertigten Kulturgefäßen, die im Gegensatz zum späteren industriellen Einsatz im Tonnenmaßstab nur zwei bis drei Liter Fermentationsvolumen aufweisen. Sollte sich nach mehreren Wochen mittels aufwendiger Analytik nachweisen lassen, dass in diesem Prozess brauchbare Bausteine entstehen, bliebe noch das Problem, wie und wann „geerntet“ werden könne. Denn die Bakterien und Pilze produzierten ja eigentlich für den eigenen Bedarf, die Verbindungen müssten ihnen also rechtzeitig entzogen werden.

Nachhaltige, CO2-neutrale und kosteneffiziente Verwertung

„Die Organismen und Fermentationsverfahren haben wir zusammen mit industriellen Kooperationspartnern so ausgewählt, dass später eine nachhaltige, CO2-neutrale, unkomplizierte und kosteneffiziente Verwertung in holzverarbeitenden Unternehmen möglich wird“, betont Biologe Christian Gleisberg, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Beginn an in das Projekt eingebunden gewesen ist.

Bevor die neuen „Mikro-Mitarbeiter“ ihren Dienst für die Nachhaltigkeit antreten können, müssen sie also erst den Eignungstest bestehen.

Marion Kuka

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