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Die Kreationen von Nobuyuki Matsuhisa (r.) haben Köche auf der ganzen Welt inspiriert.

© Gerrit Meier/promo

Meister der Fusionküche: Die Kunst der Einfachheit

Er hat die östliche mit der westlichen Kultur kulinarisch verschmolzen, noch ehe „Fusionküche“ zum weltweiten Trend wurde. Ein Treffen mit dem Gastronom Nobuyuki Matsuhisa in seinem bisher einzigen Restaurant in Deutschland, dem „Matsuhisa“ im Münchner Hotel Mandarin Oriental.

Der Ritterschlag kam von unerwarteter Seite: „Ich könnte das Nobu auch ohne Schuhe betreten“, prahlt der Rapper Kayne West in seinem Song „See Me Now“ – berühmter kann eine gastronomische Marke wohl kaum werden. „Nobu“: Der Name steht für inzwischen 32 Restaurants von Dallas bis Doha, und sie tragen alle die unverwechselbare Handschrift des japanischen Starkochs und Unternehmers Nobuyuki Matsuhisa. Darüber hinaus führt der 69-jährige Sushi-Meister mit Geschäftspartner Robert de Niro sieben Nobu-Hotels. Mit dem griechischen Investor Tasos Ioannidis betreibt er zudem neun „Matsuhisa“-Restaurants. Weitere Eröffnungen stehen bevor.

Gerade war Nobu, wie ihn alle nennen, für zwei Tage in der Matsuhisa-Dependance im Münchner Mandarin Oriental Hotel. Es ist sein erstes Restaurant in Deutschland, sollte es erfolgreich sein, wird das nächste in Berlin folgen. Lächelnd, ohne Starallüren begrüßt er die Gäste, macht Dutzende von Selfies und umarmt jeden einzelnen Mitarbeiter, bevor er mit dem Team einige seiner Topgerichte zubereitet, darunter in Miso marinierter Black Cod und frittierte Rock-Shrimps, die zu kulinarischen Welthits wurden. Was ist das Geheimnis seines Erfolgs?

"Schon als Kind beobachtete ich meine Großmutter beim Kochen"

„Es gibt kein Geheimnis. Es war ein langer Prozess bis dahin. Ich bin in Saitama in der Nähe von Tokio geboren, ich war der jüngste von vier Brüdern. Als ich acht Jahre alt war, starb mein Vater bei einem Motorradunfall, meine Mutter wurde zum Glück 93 Jahre alt. Sie und meine Brüder arbeiteten außerhalb des Hauses, ich blieb daheim und beobachtete meine Großmutter beim Kochen. Schon damals träumte ich davon, Sushi-Meister zu werden, und nach der Schule habe ich mit 15 Jahren eine Ausbildung in einem Sushi-Restaurant in Tokio begonnen.“

Es folgten sieben Jahre, in denen Matsuhisa lernte, wie man Sushi macht:

„Mit allen zehn Fingern. Meinen Studenten sage ich immer: Es ist wie ein sehr herzliches Händeschütteln mit beiden Händen. Wie in der Kunst oder der Musik trainiert man sein Leben lang.“

In Miso marinierter Black Cod. Das "Nobu" machte das traditionell japanische Gericht dank großzügiger Zuckerzugabe zu einem Welthit.
In Miso marinierter Black Cod. Das "Nobu" machte das traditionell japanische Gericht dank großzügiger Zuckerzugabe zu einem Welthit.

© Nobu/promo

Nach seiner Ausbildung fragte ihn einer seiner Gäste, ob er sich vorstellen könne, ein Sushi-Restaurant in Lima zu eröffnen. Matsuhisa, jung verheiratet und reiselustig, nahm das Angebot an – und entdeckte eine völlig andere Herangehensweise beim Umgang mit rohem Fisch. Damals entstand sein Nobu-Stil:

„Für Sushi verwendete man in Peru nicht Sojasauce und Wasabi, sondern Zitronensaft, Olivenöl, Tomaten, Koriander und Chilipfeffer. Ich war fasziniert, ich experimentierte und probierte alles aus, vor allem die neuen Aromen. Lima öffnete meine Augen dafür, dass es mehr als eine Art gibt, Sushi zu machen. Bis heute koche ich japanisch und würze peruanisch, zum Beispiel mit den Jalapenos genannten Chilischoten oder dem sehr scharfen roten Rocoto Chili. Und ich variiere einige Nationalgerichte vor allem das Ceviche, das ich allerdings ohne Zwiebeln zubereite. Für mein Tiradito aus Seesaibling oder Seezunge komponiere ich die Zutaten übereinander. Zuerst den Fisch, darüber die Gewürze, den zitronenähnlichen Yuzusaft, Salz und schließlich Koriander. Heute glaube ich, dass mein 'Signature Style' am meisten von Ceviche inspiriert wurde – vielleicht gerade deswegen, weil es Sashimi sehr ähnlich ist. Es wurde ja ursprünglich von japanischen Einwanderern nach Peru importiert.“

"Ich dachte an Selbstmord. Nur das Lachen meiner Töchter hielt mich am Leben"

Es sollte allerdings noch lange dauern, bis Nobu's Delikatessen die Welt eroberten. Zunächst folgten Rückschläge. Nach drei Jahren in Lima trennte er sich von seinem Geschäftspartner, versuchte ein Jahr ohne Erfolg, in Argentinien Fuß zu fassen und wanderte dann mit seiner Frau und zwei kleinen Töchtern weiter nach Alaska. Alles schien gut zu laufen, bis sein Restaurant niederbrannte, eine Versicherung gab es nicht.

„Ich dachte an Selbstmord. Nur das Lachen meiner Töchter hielt mich am Leben. Damals lernte ich die wichtigste Lektion meines Lebens: Bleibe geduldig. Gehe immer Schritt für Schritt voran. Lass keinen aus, weil du sonst eine wichtige Erfahrung vermisst.“

New Style Sashimi. Geschmacklich mit Sojasauce und Ingwer dem Nikkei-Stil verpflichtet, werden hier die rohen Fischfilets durch heiß angegossenes Sesamöl leicht angegart.
New Style Sashimi. Geschmacklich mit Sojasauce und Ingwer dem Nikkei-Stil verpflichtet, werden hier die rohen Fischfilets durch heiß angegossenes Sesamöl leicht angegart.

© Nobu/promo

Matsuhisa sandte die Familie nach Japan zurück und ließ sich in Los Angeles nieder. 1987 eröffnete er mit geliehenen 60.000 Dollar sein heutiges Flagschiff-Restaurant Matsuhisa am La Cienega Boulevard in Beverly Hills. Doch erst, als er begann, den rohen Fisch in höchster Qualität direkt aus Japan zu importieren, kam der Durchbruch, und das Nobu wurde zum Insidertipp der Hollywoodstars. Einer der ersten Stammgäste war Robert de Niro – er lud ihn nach New York ein und fragte ihn, ob er ein Restaurant in Tribeca mit ihm eröffnen wolle. 1994 war es dann soweit.

Robert de Niro war Stammgast - und wurde zum Geschäftspartner

„Ohne Robert säße ich heute nicht hier. Er ist einer meiner engsten Freunde. Bei allen Nobu Restaurants und auch bei den Hotels ist er als Miteigentümer an meiner Seite, bei den Hotels zusammen mit dem Hollywoodproduzenten Meir Teper. Dieses Jahr eröffnen wir fünf neue Hotels in Chicago, Marbella, Riad, Los Cabos in Mexiko und Barcelona.“

Die Unterstützung durch den Hollywoodstar war sicherlich ein Grund für den inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte anhaltenden weltweiten Erfolg. Noch wichtiger aber ist der unermüdliche Einsatz des Chefs. Zehn Monate im Jahr bereist Nobu seine Restaurants und Hotels. Jeden seiner Sushi-Meister und Köche hat er selbst mit ausgebildet.

Lunch im Nobu. Japanische Bento-Boxen werden mittags mit Nobu-Spezialitäten gefüllt - fast immer dabei: in Miso marinierter Black Cod.
Lunch im Nobu. Japanische Bento-Boxen werden mittags mit Nobu-Spezialitäten gefüllt - fast immer dabei: in Miso marinierter Black Cod.

© Nobu/promo

Nobu ist Perfektionist der Details, das gilt für seine Küche wie für die Restaurants und Hotels. In seinen Nobus wie den Matsuhisas serviert er im Wesentlichen die gleichen Speisen, auch wenn die Matsuhisas etwas intimer und exquisiter eingerichtet sind. In jedem Restaurant gibt es eine Sushi-Bar, an der die Chefs die Gäste willkommen heißen.

Mittags werden Bento-Boxen mit Sushi, Sashimi und Maki serviert, es gibt mit Thunfisch, Lachs oder Hummer gefüllte Tacos oder ein über Teeblättern gegrilltes Lamm mit peruanischer Anticucho-Sauce. Dazu viele Suppen und Salate, wie einen Kohlrabi- und einen Spinatsalat mit getrocknetem Miso. Besonderes Augenmerk legt Nobu auf die Qualität der Nahrungsmittel.

„Alle Fische, alle Nahrungsmittel, alle Zutaten müssen frisch sein. Hier mache ich keine Kompromisse. In jedem Land verwenden wir die Gemüse, Salate und Gewürze der Region. In Kalifornien bauen wir sogar unseren eigenen Reis an. Die Menschen schätzen heute gesunde, nicht behandelte Nahrungsmittel und schonende Garverfahren. Genau das finden sie in meiner Küche, genau das ist auch der Schnittpunkt, an dem sich die Geschmacksnerven unterschiedlicher Kulturen treffen.“

Tuna Tataki mit Ponzu-Sauce. Kurz angegrilltes Thunfischfilet in süß-säuerlich-salziger Marinade und mit Jalapeño-Kick.
Tuna Tataki mit Ponzu-Sauce. Kurz angegrilltes Thunfischfilet in süß-säuerlich-salziger Marinade und mit Jalapeño-Kick.

© Nobu/promo

Matsuhisa-Stil ist eine Verschmelzung der Kulturen. In seinen Restaurants und Hotels verbindet das Design internationalen Minimalismus mit dekorativen japanischen Accessoires. Seine kulinarischen Kreationen verschmelzen den zeremoniellen Purismus Japans mit der sinnlichen Ästhetik Perus. Trotzdem hat er sich immer geweigert, seinen Küchenstil als Fusionsküche zu bezeichnen:

„Dieser Trend ist jünger. Wenn überhaupt, habe ich die heute so verbreitete Nikkei-Küche vorweggenommen.“

Nobu lebt seinen Traum, wie er sagt. Mit Rückschlägen wie jenem, dass ihm zwei Michelin-Sterne in zwei Londoner Restaurants entzogen wurden, geht er souverän um.

„Fehler sind für mich gute Nachrichten. Wenn etwas schiefgeht, entsteht etwas Neues. Mein Motto ist ‚weiter so‘, das habe ich mir in Japanisch in ein kleines Holzobjekt, meinen Glücksbringer, eingravieren lassen: Gib dein Bestes, lebe dein Leben leidenschaftlich und vergiss nicht, das zu schätzen, was du hast.“

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

Eva Karcher

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