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Links von der Straße sprießen Mauern, rechts blüht seit Tagen der Beton.

© dpa

Wohnungsnot in Berlin: Die Fehler der Vergangenheit

Gibt es einen Wohnungsnotstand in Berlin? Alle Schätzungen beruhen auf der Annahme, dass der Zustrom nach Berlin niemals aufhört. Aber Berlin ist nicht unschrumpfbar. Und dann? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Der Berliner Senat drängt die volkseigenen Wohnungsbaugenossenschaften und private Investoren, schnell tausende neue und billige Wohnungen zu bauen. Dazu belebt er den sozialen Wohnungsbau, Baugenehmigungen sollen rascher und unkomplizierter erteilt werden. Bezahlbarer Wohnraum sei so knapp, dass dringend gehandelt werden müsse. Das klingt gut, ist aber nicht gut: Denn es werden dieselben Fehler wiederholt, die im Berlin der frühen neunziger Jahre gemacht wurden. Wie damals wird zuerst ein Notstand konstatiert, über den man nichts Genaues sagen, aber umso schöner spekulieren kann: Mal beträgt die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot 10.000 Wohnungen pro Jahr, mal wird das akute Fehlen von einer halben Million Wohnungen beklagt. Allein barrierefreie Behausungen müssten in Größenordnungen von über 40.000 Stück gebaut werden, verlangt der Behindertenbeauftragte. Alle Schätzungen beruhen auf der Annahme, dass der Zustrom nach Berlin niemals aufhört.

Wie damals wähnt man sich auch im Glück, was die Finanzierung angeht: In den neunziger Jahren wurden die Investitionen mit massiven Steuervergünstigungen und Sonderabschreibungen angeregt. Heute treiben die niedrigen Zinsen den Bauboom. Beide Phänomene aber beschreiben Ausnahmesituationen. Sie führen zu Überinvestitionen.

Das alles mag noch ein paar Jahre halten. Aber dann? Dann werden die Zinsen steigen, das Wirtschaftswachstum wird sich verlangsamen, und die Leute bleiben vielleicht lieber in ihren kleineren, billigeren Wohnungen, als die Neubauten zu beziehen. Oder sie kaufen selbst. Und: Berlin ist nicht unschrumpfbar. Selbst wenn die Zinsrisiken abgesichert wurden, sind die Wohnungsbaugesellschaften gegen Mietausfälle nicht gewappnet. Sie werden schnell in eine Schieflage geraten, wenn die Preise sinken, und der Nachschub an frischen Mietern ausbleibt. Dann wird das ganze Land Berlin leiden. Die Schulen werden nicht mehr gestrichen, die Straßen nicht mehr repariert, die Parks nicht mehr gepflegt. Da sage noch einer, Geschichte wiederholt sich nicht.

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