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Was WISSEN schafft: Weltuntergang auf Wiedervorlage

Nur knapp hat ein Asteroid die Erde verfehlt. Kaum jemand hat sich darüber erregt - es passiert ja nichts. Doch leider gibt es einen Störenfried, der ständig neue Asteroiden in Richtung Erde abfeuert: der Riesenplanet Jupiter.

Gute Horoskopschreiber wissen: Es gibt Dinge, die will der Mensch gar nicht so genau wissen. Zum Beispiel, ob er unheilbar krank ist. Oder früh sterben wird. Oder ob die ganze Menschheit demnächst ausgelöscht wird.

Im Gegensatz zu den Astrologen waren die Astronomen durchaus verwundert, dass sich für das Beinahe-Armageddon vom Montagnachmittag kein Mensch interessierte: Gegen 17 Uhr raste der Doppel-Asteroid 2008 BT18 mit einer Geschwindigkeit von 45 000 Stundenkilometern haarscharf an der Erde vorbei. Bei einem Einschlag hätten die beiden 600 und 200 Meter großen Gesteinsbrocken etwa die 4000fache Energie der Hiroshima-Bombe freigesetzt – genug, um Mitteleuropa dem Erdboden gleich zu machen.

Dass sich kein Erdling über den Besucher erregte, ist auch den Supercomputern der Nasa zu verdanken: Die US-Weltraumbehörde berechnete, dass 2008 BT18 zwar in einer Entfernung von nur 0,0151 astronomischen Einheiten (AE) vorbeifliegt, die Erde also um eine kosmische Haaresbreite verfehlt (eine AE ist ungefähr der Abstand von Sonne und Erde). Doch das ist immerhin noch sechsmal so weit wie der Mond – knapp verfehlt ist auch vorbei.

Dabei zeigte gerade der harmlose Himmelspassant vom Montagnachmittag, wie wenig wir auf ein tatsächlich gefährliches „near earth object“ (NEO) vorbereitet wären. Nach den Plänen der Nasa sollen bis 2010 von den schätzungsweise 1100 NEOs mit mehr als einem Kilometer Durchmesser 90 Prozent kartiert sein. Ab dieser Größe hätte ein Einschlag globale Auswirkungen (der Meteorit, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier auslöschte, war etwa 15 Kilometer groß). Wenn dann ein NEO auf Kollisionskurs entdeckt wird, so der heroische Plan der Himmelswächter, bleiben der Menschheit zumindest ein paar Jahre Zeit, eine Rakete zu starten und den Erdvernichter vom Kurs abzulenken – wie das genau funktionieren soll, weiß allerdings noch niemand.

Doch selbst wenn der Nasa-Plan gelingt, blieben die mindestens 10 000 um die Sonne kreisenden NEOs von unter einem Kilometer Durchmesser weitgehend unbekannt. So wurde auch 2008 BT18 erst Ende Januar 2008 entdeckt – viel zu spät, um noch ein Ablenkungsmanöver zu starten. Zudem konnten die Nasa-Experten den genauen Kurs des Doppel-Asteroiden nur dank eines Zufalls sofort bestimmen: 2008 BT18 fand sich auf einer alten Himmelsaufnahme aus dem Jahr 1955. Wenn keine älteren Bahndaten vorliegen, dauert es Monate bis feststeht, ob ein NEO die Erde knapp verfehlt oder einschlägt.

Glücklicherweise existiert unser Sonnensystem schon seit 4,6 Milliarden Jahren, so dass die meisten Weltraumtrümmer mit Kollisionskurs schon vor Urzeiten auf die Erde gestürzt oder in der Sonne verglüht sind. Doch leider gibt es einen Störenfried, der ständig neue Asteroiden in Richtung Erde abfeuert: Der Riesenplanet Jupiter. Durch seine enorme Gravitationskraft zerrt er ständig an den Millionen Gesteinsbrocken, die im „Asteroidengürtel“ zwischen Jupiter und Mars um die Sonne kreisen. Manchmal wird die Umlaufbahn eines Asteroiden dadurch so stark elliptisch, dass sie die weiter innen gelegene Erdumlaufbahn kreuzt – der Asteroid wird zuerst nach außen gezogen und dann wie von einer kosmischen Steinschleuder in Richtung Erde geschossen.

Dieses Bombardement führt viel häufiger zu Treffern als bis vor kurzem angenommen: Zahlreiche Einschlagskrater, die durch Erosion und tektonische Verwerfungen vom Boden aus nicht zu erkennen waren, wurden erst mit Hilfe von Satellitenaufnahmen entdeckt. Nach aktuellen Schätzungen ist mit einem größeren Einschlag, der schwere Verwüstungen an Land oder einen Tsunami auf See auslösen könnte, einmal in 100 bis 1000 Jahren zu rechnen – der letzte war 1908 in Sibirien am Tunguska- Fluss.

Aus astronomischer Sicht bestehen gute Chancen, dass der Riesenplanet Jupiter eines Tages die Menschheit auslöscht. Horoskopschreiber sehen das freilich anders: In der Astrologie ist Jupiter der große Wohltäter und Glücksbringer – es gibt eben Dinge, die will der Mensch gar nicht so genau wissen.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

Alexander S. Kekulé

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