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Richtig so. Der Wahlspruch stand allerdings erst falsch auf den Plakaten.

© Kay Nietfeld/dpa

Wahlkampfrhetorik der SPD: Zwischen Bolzplatz und Blumigkeiten

Zwischen Fußballmetaphern und sprachlicher Lieblosigkeit geht beinahe unter, dass die SPD zwischen Selbstüberschätzung und Detaillismus schwankt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Im Januar sagte der alte Trainer: „Wenn der Verein immer im Keller spielt, dann ist irgendwann der Trainer dran.“ Also wurde der Trainer ausgewechselt. Sein Nachfolger meinte: „Ein Gegentor heißt noch nicht, dass das Spiel entschieden ist.“ Doch plötzlich stand es 0:3: „Jetzt haben wir erst mal richtig was an der Hacke.“ Der neue Trainer dazu: „Mund abputzen und weitermachen.“ Irgendwann erklärte er, sein Assistent habe gerade „ein wunderbares Bild benutzt“. Nämlich: „Wir haben einen Leberhaken bekommen.“

Vielleicht wäre Martin Schulz ein guter Teamcoach geworden. In seiner Sprache ist das Werben um die Gunst der Wähler vor allem eines: ein martialischer Kampf. Hart, gnadenlos, unbarmherzig. Dabei ist Schulz nicht der erste SPD-Politiker, der auf neuen sprachlichen Spielfeldern kickt. Schon im vergangenen Sommer kündigte Fraktionschef Thomas Oppermann an, die SPD werde der Union bald „wieder die Bude vollballern“. Und 2009 war Ex-Parteichef Franz Müntefering mit anderen Sozialdemokraten „vor dem Spiel in der Kabine zusammengekommen“.

Grobschlächtige Fußballmetaphern gehören offenbar zur Grundausrüstung der SPD. Von Gerhard „Acker“ Schröder allerdings sind längst nicht so viele verbale Kopfstöße überliefert wie von Schulz. Je schlechter der Zustand der Partei, desto rustikaler das Kampfgetöse, so scheint es. Man mag sich ein modernes Unternehmen gar nicht vorstellen, in dem ein Vorstandsvorsitzender seine Mitarbeiter unentwegt zu Blutgrätschen und K.-o.-Schlägen auffordert.

Keine andere Partei ist - mit Recht - so stolz auf ihre Tradition

Ist die Krise der SPD nur ein Personalproblem? Oder vielleicht doch auch ein Stil- und Sprachproblem – und damit am Ende eines des Inhalts? Wie keine andere Partei ist die SPD – zu Recht – stolz auf ihre Tradition. Die CDU regiert mit geschichtsloser Selbstverständlichkeit vor sich hin, da beschwören SPD-Parteitage unverdrossen „Seit an Seit“ die „neue Zeit“.

Mehr als alle anderen Parteien glaubt die SPD auch an ihr Programm. Dass der Entwurf für das Bundestagswahlprogramm versehentlich mit „Mehr Zeit für Gerechtigkeit“ statt „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ überschrieben war – es wirkt wie ein lustiger, aber nebensächlicher Patzer. Doch die sprachliche Lieblosigkeit hat durchaus System, quasi als Fortsetzung aller Fußballmetaphern.

Wer in dem vorläufigen Programm liest, der sieht: Es schwankt zwischen politischer Selbstüberschätzung einerseits und übertriebenem Detaillismus andererseits. In Zeile 51 zum Beispiel wird proklamiert: „Die SPD steht wie keine andere Partei für die europäische Idee.“ In Deutschland, in Europa? Wie keine andere Partei? Und die Grünen, die CDU?

Der sozialdemokratische Paternalismus ist nicht allein ein Stilproblem

In Zeile 101 wird ernsthaft versprochen: „Wir sorgen für sichere Arbeit. Und für Vollbeschäftigung in Deutschland.“ In Zeile 168 lautet das Ziel: „Schulen müssen strahlen – die Gebäude, aber auch ihre Ausstattung.“ Das werden viele Eltern, gerade in SPD-geführten Ländern, mit Interesse lesen. In Zeile 365 kündigt das Programm wiederum an, den höheren Dienst des Bundes für „Bachelor-Absolventen mit Promotion“ zu öffnen. Von denen gibt es nur ein paar Dutzend in Deutschland. Vielleicht ein dringendes Einzelfallproblem, aber entsteht aus solchen Forderungen ein inspirierendes Bundestagswahlprogramm?

Der sozialdemokratische Paternalismus ist dabei nicht allein ein Stilproblem. Wo die Union flexibel ist bis hin zur Selbstverleugnung, betreibt die SPD mitunter Überkompensation. Ein Beispiel findet sich in Zeile 885. Da heißt es: „Der Sozialstaat ist für alle da, deshalb werden wir auch neue Beschäftigungsformen wie die Solo-Selbstständigkeit absichern und in die Sozialversicherungen einbeziehen.“ Hört sich erst mal gut an, wobei es „Solo-Selbständige“, auch ein schönes Wort, schon zu Willy Brandts Zeiten gab und das niemanden störte.

Das Problem ist nur: Viele Selbstständige, vom freien Synchronsprecher bis hin zur IT-Freelancerin, wollen gar nicht auf diese Weise beglückt werden. Sie möchten sich weiterhin selbst privat um ihre Rente kümmern und liegen deshalb schon jetzt mit Arbeitsministerin Andrea Nahles über Kreuz. In Wirklichkeit geht es hier um profane Politik, mit der die Rentenkassen kurzfristig aufgefüllt werden sollen. Im SPD-Programm wird dies als Glücksversprechen verkauft („Der Sozialstaat ist für alle da“). So etwas durchschauen die Wähler. In der Summe wirkt es unsympathisch.

Aber noch ist das Programm ja nicht beschlossen, Änderungen sind möglich. Wetten, dass der Kandidat bald „klare Kante“ zeigt?

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