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Meinung: VW: Eine Ohrfeige für die Arbeitslosen

Die IG Metall ist nicht über die Hürde gekommen. Die Latte lag zu hoch für die alten Kämpen an der Spitze der Gewerkschaft, die einige Jahrzehnte ihres Funktionärslebens für die 35-Stunden-Woche gekämpft haben, und nun ihre Siege von damals für ein paar Tausend neue Arbeitsplätze bei VW opfern sollten.

Die IG Metall ist nicht über die Hürde gekommen. Die Latte lag zu hoch für die alten Kämpen an der Spitze der Gewerkschaft, die einige Jahrzehnte ihres Funktionärslebens für die 35-Stunden-Woche gekämpft haben, und nun ihre Siege von damals für ein paar Tausend neue Arbeitsplätze bei VW opfern sollten. Lieber nicht. Und so ist das Modell "5000 mal 5000" - VW stellt 5000 Arbeitssuchende ein und zahlt jedem 5000 Mark brutto im Monat - vor allem an der Frage der Arbeitszeit gescheitert. Rund 10 000 Personen hatten sich für die neuen Jobs in Wolfsburg und Hannover beworben. Die Absage bekommen sie jetzt von Klaus Zwickel. Doch dann geht der IG Metall-Chef schnell zum Angriff über, damit der Zorn über die IG Metall rasch verfliegt: "Hunderttausende" Arbeitsplätze wären verloren gegangen, wenn andere Unternehmen die verlängerten VW-Arbeitszeiten übernommen hätten, behauptet Zwickel. Das schlechte Gewissen ist unüberhörbar.

Überall nur Verlierer. Die IG Metall in der Rolle des Arbeitsplatzverhinderers; die Volkswagen AG, die auf ein neues Arbeitskonzept verzichten muss, und besonders die Erwerbslosen, denen eine berufliche Perspektive genommen wurde. Das hätte nicht soweit kommen dürfen - schon gar nicht in einem Unternehmen wie Volkswagen, in dem Klaus Zwickel als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender fungiert und das stolz ist auf die gute Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und auf Innovationen wie die Vier-Tage-Woche. Im Fall "5000 mal 5000" hat das deutsche Konsensmodell versagt. Die unterschiedlichen Interessen von Gewerkschaft und Unternehmen konnten nicht verbunden werden - mit verheerenden Folgen für Dritte, denen eine berufliche Existenzchance genommen wird.

Hat VW zu hoch gepokert und Unzumutbares gefordert? Volkswagen ist ein Unternehmen mit mehreren Hunderttausend Mitarbeitern und Dutzenden Fabriken in aller Welt. Wenn an einem Konzernstandort, sagen wir in Portugal oder Tschechien, die Personalkosten nur 30 Prozent des Wolfsburger Niveaus ausmachen, dann müsste VW-Chef Ferdinand Piëch schon eine unerhörte Liebe zum Heimatwerk haben, um zusätzliche Investitionen in Wolfsburg zu tätigen. Da aber Löhne und Lohnzusatzkosten zu Hause nicht auf tschechisches Niveau gedrückt werden können, haben sich die VW-Strategen das hochflexible Modell "5000 mal 5000" ausgedacht, um Kostennachteile aufzuwiegen: Die Mitarbeiter arbeiten länger, Qualifizierung inklusive; es gibt keine Überstunden- oder Nachtzuschläge mehr; die Beschäftigen sind für die Qualität der Autos und die pünktliche Lieferung an die Kunden verantwortlich, das bringt höhere Effizienz.

VW wollte jeden Arbeitnehmer mit einem mobilen PC ausrüsten, damit zum Beispiel Bankgeschäfte oder Reisebuchungen online während der Arbeitszeit erledigt werden können. Wobei es die übliche Arbeitszeit nicht mehr geben sollte: In dem neuen Modell teilt sich die betriebliche Anwesenheit auf die drei Kategorien Arbeit, Qualifizierung und Kommunikation. Hätte sich VW durchgesetzt, dann wären erstmals in einem Unternehmen der Old Economy die durchlässigen, flexiblen Muster der New Economy ausprobiert worden. Der Mitarbeiter montiert nicht mehr stupide am Band ein Auto zusammen, sondern rückt mit seinen zusätzlichen Kompetenzen und Aufgaben fast in den Status eines Ein-Personen-Unternehmens. Mit allen Chancen und Risiken.

Rund 10 000 Arbeitssuchende wollten sich auf das Risiko einlassen. Die IG Metall nicht. Die Gewerkschaft befürchtet den Vorbildcharakter des Modells - Ende des Flächentarifvertrags, lange Arbeitszeiten, Lohndumping. Diese Angst der angeblich mächtigsten Gewerkschaft der Welt zeigt zum einen, wie schwer Zwickel und Kollegen auf neuen Wegen voran kommen. Zum anderen wird die Klientel-Politik der Gewerkschaft deutlich: In erster Linie sind die zu schützen - vor möglicherweise längeren Arbeitszeiten oder niedrigen Löhnen - die schon Arbeit haben. Aber vor den Schutzzäunen stehen die Arbeitslosen; wer drinnen ist, ist ziemlich sicher, wer draußen ist, bleibt ziemlich sicher draußen. Für 5000 Personen bleiben die Werkstore von VW zu . Das ist kein Tag, auf den die IG Metall stolz sein darf.

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