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Ist das Projekt Euro endgültig gescheitert?

© AFP

Verhängnisvolle Gemeinschaft: Warum die Euro-Zone aufgelöst werden sollte

Der Euro litt von Anfang an an Geburtsfehlern. Das liegt daran, dass die Währungsunion schon immer ein politisches und kein wirtschaftliches Projekt war. Für Nigel Lawson gibt es nur einen konsequenten Ausweg aus der Krise.

Mit jeder Woche, die verstreicht, verstärkt sich die anhaltende Krise der Euro-Zone. Die droht inzwischen nicht nur in den Mitgliedsstaaten der Euro-Zone ernsthaften wirtschaftlichen Schaden anzurichten, sondern auch im Rest der Welt – gar nicht zu sprechen von den politischen Verwerfungen und der zerstörerischen Spaltung innerhalb der Europäischen Union zwischen den Ländern, die in der Euro-Zone sind und denen (wie Großbritannien), die es nicht sind.

Wie konnte es zu diesem furchtbaren und vorhersehbar verhängnisvollen Unternehmen kommen?

Obwohl die Europäische Währungsunion erst 1998 ins Leben gerufen wurde, reicht ihre Entstehung bis fast zu den Römischen Verträgen zurück. Und sie war schon immer ein politisches, kein wirtschaftliches Projekt. Wie Karl Blessing, der damalige Präsident der Bundesbank schon 1963 deutlich machte: „Letztes Ziel der Kommission ist also eine europäische Währungsunion … Eine gemeinsame Währung und ein föderales Notenbanksystem sind nur denkbar, wenn es außer einer gemeinsamen Handelpolitik auch eine gemeinsame Finanz- und Budgetpolitik, eine gemeinsame Wirtschafts- und Konjunkturpolitik, eine gemeinsame Sozial- und Lohnpolitik, also eine gemeinsame Politik überhaupt gibt, kurz, wenn es einen Bundesstaat mit einem europäischen Parlament gibt, das Gesetzgebungsbefugnisse gegenüber allen Mitgliedsstaaten hat.“

Und das war natürlich genau das, was die Befürworter zu erreichen wünschten.

Es gab aber zwei fundamentale Webfehler. Erstens zeigt die Geschichte, dass eine Währungsunion auf eine politische Union folgen muss und ihr nicht vorangestellt sein kann. Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür, wo im 19. Jahrhundert der Zollverein den Weg zu einem Bundesstaat ebnete, aber erst nach Vollendung der umfassenden politischen Union unter Bismarck eine gemeinsame deutsche Währung eingeführt wurde. Im Gegensatz dazu scheiterte, erwartungsgemäß, die sogenannte Lateinische Münzunion des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts unter Führung Frankreichs und ohne eine politische Union.

Zweitens, erweist sich in einem stabilen demokratischen Europa weder eine Fiskal- (oder Transfer-) Union noch – weniger sogar – eine politische Union als umsetzbar, solange das nicht dem deutlich formulierten Wunsch einer Mehrheit der Länder Europas entspricht. Eine fundamentale Geringschätzung der Demokratie war schon immer eine der bemerkenswertesten und am wenigsten attraktiven Eigenschaften der europäischen Bewegung – wie ehrenwert auch immer ihre Ziele. Die gegenwärtige Krise der Euro-Zone hat im Kern mit dieser Geringschätzung zu tun.

Die Befürworter einer politischen Union mittels einer Währungsunion ignorierten diese beiden fundamentalen Webfehler und schritten weiter voran. 1969 stimmte der Europäische Rat zu, bis 1980 eine vollständige Währungsunion umzusetzen und die sogenannte Werner-Kommission wurde beauftragt, einen Plan zu ihrer Umsetzung auszuarbeiten. Die politische Motivation dahinter wurde damals offen ausgesprochen. Der deutsche Kanzler Willy Brandt fühlte sich von der Idee einer umfassenden politischen Union Europas besonders angezogen, vielleicht weil er einer Generation angehörte, die glaubte, dass angesichts des Verlaufs der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die anderen Deutschland nicht trauen würden (und die Deutschen vielleicht sich nicht einmal selbst trauen würden), als unabhängiger souveräner Staat politischen Einfluss seiner wirtschaftlichen Stärke gemäß auszuüben.

Seite 2: Um die Dominanz der Bundesbank zu brechen, wollte Frankreich eine Europäische Zentralbank einrichten.

Frankreichs Enthusiasmus war jedoch sehr viel geringer und innerhalb einiger Jahre war der Werner-Plan politisch tot. Das Projekt wurde erst 1986 wiederbelebt, als die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte ausdrücklich darauf Bezug nahm, dass die Staats- und Regierungschefs 1972 „das Ziel einer schrittweisen Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion gebilligt haben“. Der Europäische Rat verständigte sich dementsprechend 1988 darauf, eine Kommission (die Delors-Kommission) einzurichten, die den weiteren Weg ausarbeiten sollte. Zu jenem Zeitpunkt missfiel Frankreich zunehmend die Dominanz der Bundesbank in europäischen Finanzfragen, und es sah keinen anderen Ausweg, diese Dominanz zu brechen, als gleich eine ganze Europäische Zentralbank einzurichten.

Mit der deutschen Einheit 1990 und der Aussicht, dass Deutschland und nicht Frankreich die Führung über Europa übernehmen würde, kamen die Franzosen zu der Einsicht, dass ein hohes Maß an politischer Integration schließlich doch nicht so unattraktiv sei, vor allem da die entscheidenden Positionen vermutlich von Franzosen besetzt werden würden. Und so kam es schließlich, am Ende jener Dekade, zu einer europäischen Währungsunion. Im Gegensatz jedoch zur Offenherzigkeit beim ersten Versuch wurde diesmal die wesentliche politische Motivation verschwiegen und das Projekt als ein ausschließlich ökonomisches beschrieben.

Und so sind wir da, wo wir jetzt sind. Die beiden fundamentalen Webfehler, die ich erwähnt habe – und die auch schon in Karl Blessings Analyse von vor fast 50 Jahren enthalten waren – sind von so grundsätzlicher Natur wie eh und je. Sie sind viel entscheidender als die unmittelbaren Probleme, mit denen sich die Führer Europas beschäftigen, während sie sich gerade in erstaunlicher Geschwindigkeit von einem Treffen zum nächsten bewegen.

Trostloserweise gibt es keine schnelle, leichte oder schmerzlose Lösung für das Durcheinander, in dem wir stecken. Aber klar sollte sein, dass die am wenigsten schlechte Option darin besteht, die Realität anzuerkennen und die geordnete Auflösung der Euro-Zone sicherzustellen.

Der Autor war von 1981 bis 1983 britischer Energieminister und von 1983 bis 1989 Schatzkanzler unter Margaret Thatcher. Lord Lawson ist heute Mitglied des britischen Oberhauses. Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

Nigel Lawson

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