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Meinung: Selten im Fernsehen

Von Arnd Brummer WO IST GOTT? Von wem spricht eigentlich George W.

Von Arnd Brummer

WO IST GOTT?

Von wem spricht eigentlich George W. Bush, wenn er von seinem Gott redet? Ist das auch meiner? Und wen meinte der verschollene Diktator in Bagdad? Kenne ich den? Gott – verschwunden im Gewimmel der Götter und Götzen. Versteckt, verdeckt, unsichtbar. Und alle kennen ihn. Und viele berufen sich auf ihn. Und mancher weiß ganz genau, wozu der Herr ihn ausersehen hat.

Gott ist da. Und hier. Und dort. Wo ist er nicht? Die Allgegenwart ist nicht auszuhalten. Aber es gelingt mir nicht, Gott dingfest zu machen. Vielleicht hat Gott unseren Verstand deshalb so begrenzt ausfallen lassen, weil wir sonst verrückt würden. Danke, dass wir so taub sind, so blind, so tumb und plump. Danke, dass wir so schwer von Begriff sind. Danke, dass unsere Sprache nicht ausreicht, Gott zu beschreiben.

Kann sein, dass George Bush und ich vom selben Gott reden, sicher aber nicht vom gleichen. Mir hat mein Gott noch nie gesagt, was ich tun soll. Manchmal bekomme ich immerhin mit, dass mir irgendeiner zu flüstern scheint, was ich besser hätte lassen sollen. Dann ist es allerdings schon dumm gelaufen.

Das Problem mit Gott in den Medien ist, dass er so wenig Interviews gibt. Und ein zweites: Es existieren zu viele Bilder von ihm, aber keines ist autorisiert. Um Gott zu finden, muss ich mich darauf beschränken, seine Spuren zu suchen, die Spuren der Transzendenz mitten im Alltag – die Spuren einer anderen Wirklichkeit in unserer bescheiden Erdenrealität. Ich müsste von Mozarts Musik reden, von den Songs aus der Werkstatt John Lennons und Paul McCartneys. Wer erlaubt uns, über den Teufel zu lachen? Warum ist die Liebe größer als alle Vernunft? Warum können Kinder spielen? Warum heiraten MafiaOpfer die Täter? Warum tut Abschied für immer so weh? Es gibt Menschen, von denen glaube ich, dass ihnen Gott begegnet sein könnte. Die sind gelassen oder von einer Idee begeistert. Die nehmen sich selbst nicht so ernst, sondern ihre Mitmenschen. Und sie hüten sich davor, anderen ständig zu erklären, was sie falsch machen.

Gott ist mehr als die Orientierung für Orientierungslose, als die Hoffnung für Hoffnungslose. Er desorientiert – hoffentlich – alle, die sich allzu sicher sind. Er erschüttert – darum bete ich – die Unerschütterlichen. Er erlöst die Entschlossenen und schenkt ihnen Zweifel. Das gilt – darauf setze ich – auch für all die Gläubigen, die sich seiner so sicher scheinen. Er schenke ihnen Verwirrung! Er schenke den Klarsehern Trübung. Er zermalme die Gewissheiten, jener, die Berechenbarkeit für den höchsten menschlichen Wert halten.

Wenn es Gott gibt (was ich glaube), dann ist er überall dort zu ahnen, wo ich mit meinem Latein am Ende bin, in dem Teil des Seins, über den ich nicht verfügen kann. Jenseits des Tales, jenseits der Vernunft, jenseits der alltäglichen Bauernschläue, mit der man ordentlich durchs Leben kommen, aber Gott nicht festnageln kann.

Der Autor ist Chefredakteur von „Chrismon“, das dem Tagesspiegel einmal im Monat beiliegt. „Chrismon“ erhielt vor einigen Wochen den Preis des besten Kundenmagazins in der Kategorie „Non Profit“.

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