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Selahattin Demirtas.

© Reuters

Selahattin Demirtas: Im Schatten der PKK

Der Chef der Kurdenpartei HDP will am Sonntag in der Türkei mehr als 10 Prozent der Stimmen holen. Ein Porträt

Der 42-jährige Anwalt Selahattin Demirtas hat maßgeblichen Anteil daran, dass sich die politischen Gewichte in der Türkei in den vergangenen Monaten stark verändert haben. Der Chef der Demokratischen Partei der Völker (HDP) brachte seine Kurdenpartei bei der Parlamentswahl im Juni mit 13 Prozent der Stimmen ins Parlament. Vor der Parlamentsneuwahl an diesem Sonntag sieht es ebenfalls gut aus für die HDP. Ein wichtiger Grund für den Erfolg ist die Ausrichtung der Partei als linksliberale und auch für Nicht-Kurden wählbare Reformkraft.

Selahattin Demirtas stammt aus dem osttürkischen Elazig, ist eloquent und schlagfertig und kann es mit Präsident Recep Tayyip Erdogan aufnehmen. Außerdem ist er eine ganze Generation jünger als andere Spitzenpolitiker.

PKK-Kämpfer errichteten Barrikaden

Doch er hat ein großes Problem: Er macht Politik im Schatten der PKK-Kurdenrebellen. Offiziell hat die HDP nichts mit der als Terrororganisation verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans zu tun. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Es ist undenkbar, dass die HDP im Kurdengebiet einen Kandidaten aufstellt, der von der PKK abgelehnt wird.

Die PKK versteht sich als wahre Vertreterin und Beschützerin der Kurden – und setzt diesen Anspruch auch dann mit Gewalt durch, wenn es der HDP schadet. So begannen die Rebellen im Sommer mit neuen Anschlägen auf Polizisten und Soldaten, was eine überharte Reaktion Ankaras auslöste. Mehrere hundert Menschen sind seitdem ums Leben gekommen.

Vergeblich forderte Selahattin Demirtas seitdem die Rebellen auf, die Kämpfe einzustellen. Mit offener Verachtung wies die PKK-Führung die Appelle zurück. PKK-Kämpfer errichteten in kurdischen Städten Barrikaden und riefen eine „Autonomie“ aus, die einer Gewaltherrschaft der Rebellen glich.

Lokale HDP-Verwaltungen machten mit, indem sie den PKK-Trupps die Baumaschinen zur Verfügung stellten, mit denen Gräben ausgehoben wurden. Kein Wunder, dass die Gegner der HDP kritisieren, die legale Kurdenpartei setze sich nur ungenügend von der PKK ab.

Trotz dieser Widersprüche kann die HDP auch an diesem Sonntag fest mit einem Einzug ins Parlament rechnen. Dass Erdogan zuletzt wieder einen harten Kurs in der Kurdenfrage eingeschlagen hat, könnte Demirtas an der Urne nützen: Der Meinungsforscher Murat Gezici schätzt, dass rund die Hälfte aller Kurden in der Türkei HDP wählen.

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