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Als gemeinsames Tanzen noch erlaubt war: Paul von Dyk bei einem Gig 2012.

© Thomas Frey/dpa/picture-alliance

Seiteneinsteiger in der Politik: Vom DJ-Pult in den Bundestag

Der DJ Paul von Dyk will jetzt Parteipolitik machen, genau wie der Fahrradaktivist Heinrich Strößenreuther. Kann das gut gehen? Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Werner van Bebber

Die Nachricht wird FDP-Chef Christian Lindner elektrisiert haben: Kurz nachdem er in einem Podcast mit Paul van Dyk über Corona diskutiert hatte, trat der DJ und Musiker den Liberalen bei. Van Dyk hatte die Perspektivlosigkeit der Pandemie-Politik kritisiert – jetzt kann er politische Ideen entwickeln. Fast noch aufregender war davor die Ankündigung des Berliner Fahrradaktivisten Heinrich Strößenreuther, sich der CDU anzuschließen. Der Mann mit dem Volksbegehren will dafür werben, die Verkehrswende als „gemeinsames Projekt“ zu sehen.

Zwei bekannte Menschen wollen auf Parteibasis Politik machen: Bloß zwei, könnte man sagen, doch zeigen solche Ankündigungen, dass das politische System eine gewisse Anziehungskraft hat. Und sei es, weil die Unzufriedenheit so groß ist. Sehen wir es positiv. Von außen betrachtet wirken Namen wie van Dyk oder Strößenreuther wie Versprechen. Sie stehen für frische Ideen, unkonventionelles Denken, für Werte, die nicht eingehegt sind von den Regeln des Politbetriebs. Namen wie Werbebotschaften: Guck mal, der macht bei der FDP mit und der bei der CDU.

Seiteneinsteiger werden selten zu Senkrechtstarten

Von innen betrachtet stellen sich die Neuzugänge anders dar: wie eine Kritik am Parteisoldatentum, an diesem jahre- oder jahrzehntelangen Engagement im Ortsverband oder in der Bezirksverordnetenversammlung, mit endlosen Programmdebatten, Plakataktionen am Samstagabend und Grillwurst-Grillen bei Kleingartenfesten. Die Basis, unprominent wie sie ist, hat einfach da zu sein, bescheiden und funktionsfähig.

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Heinrich Strößenreuther ist ehemaliger Greenpeace-Campaigner.
Heinrich Strößenreuther ist ehemaliger Greenpeace-Campaigner.

© Kai-Uwe Heinrich

Tatsache ist, dass Seiteneinsteiger selten zu Senkrechtstartern werden in der Politik. Ein prominentes Beispiel: Der Unternehmer Peter Schwenkow, 2006 im Berliner Wahlkreis Grunewald-Halensee für die CDU gegen Klaus Wowereit angetreten, verlor knapp. Der wortmächtige, coole Schwenkow mit seiner schnellen Denke und seinem Erfolg wirkte, um vorsichtig gesagt, wie ein Vorzeigemitglied der Partei.

Doch scheiterte er 2011, als es um die Wiederaufstellung zur Abgeordnetenhauswahl ging, an ein paar Parteipolitikern, von denen außerhalb der CDU kaum jemand gehört hatte, und deren Vorstellung von Personalpolitik.

Frische Impulse oder mangelnde Erfahrung?

Der Frankfurter Politikwissenschaftler Jens Borchert, zweifelt grundsätzlich am Sinn der Quereinsteigerei. Er verweist auf die Notwendigkeit von Erfahrung in der Politik und hält, wie er vor Jahren sagte, „die Geschichte der Seiteneinsteigerei in der deutschen Politik für eine Geschichte des Scheiterns“.

Was Quer- und Seiteneinsteiger den Parteien und dem Politikbetrieb bringen, ist schwer zu sagen. Manche begrenzen ihr Engagement auf zwei oder drei Legislaturperioden, weil sie wissen, wie wichtig neue Impulse sind und wie groß der Verschleiß im Betrieb ist.

Die Politikprofessorin Stefanie Bailer von der Universität Basel plädiert als Befürworterin des Seiteneinsteigertums für eine Begrenzung der Wiederwahl über Listen und ein Mentoring-Programm für Neulinge im Politik-Betrieb. Das soll die Parteien erfrischen. Auch Paul van Dyk und Heinrich Strößenreuther können ihren Parteien kräftige Impulse geben.

Der Musiker ist ein weltgewandter Unternehmer und Unterhalter, der Fahrrad-Aktivist ein Kenner der Berliner Verkehrsverhältnisse und der Verwaltung. Das kann der Politik mehr bringen als braves Parteisoldatentum. Van Dyk und Strößenreuther sollten jetzt liefern.

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