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Meinung: Scharpings Urlaubsbilder: Reise ohne Wiederkehr

Rudolf Scharping war richtig stolz auf sich. Hatten sie ihm nicht immer gesagt, er wirke trocken und hölzern, sei ein Fleißkärtchen-Politiker, komme emotional einfach nicht rüber?

Rudolf Scharping war richtig stolz auf sich. Hatten sie ihm nicht immer gesagt, er wirke trocken und hölzern, sei ein Fleißkärtchen-Politiker, komme emotional einfach nicht rüber? Nun hat er sich als Mensch geoutet - einer mit Gefühlen, der im Urlaub verliebt im Swimmingpool planscht und Jüngere mit allerlei Lebensweisheiten an seinen Erfahrungen teilhaben lässt. Na, das muss doch einen Image-Schub geben.

Eingeschlagen hat die Bilderstrecke samt Interview in der "Bunten". Nur ganz anders, als Scharping sich das vorgestellt hatte. Deutsche Soldaten bereiten sich auf einen riskanten Balkaneinsatz vor - wie kann sich ihr Minister da vor Freude kreischend bei Wasserspielen ablichten lassen?

Nun werden in Berlin bereits Gerüchte gestreut, Scharping werde dem nächsten Kabinett nicht mehr angehören. Weil er einen Riesenfehler gemacht habe, wie die einen sagen; weil er amtsmüde sei, wie die anderen meinen - der Fehler wäre dann ein Symptom dafür. Und hat nicht Scharpings Gräfin der "Bunten" anvertraut, sie könne sich mit dem Gedanken anfreunden, dass Rudolf die Regierung verlasse?

Prompt verknüpfen einige Medien den Interview-Fehltritt mit dem angeblichen Misserfolg als Verteidigungsminister: Wehrreform, Radar-Affäre, Streit um Uran-Munition. Das ist wohlfeil. Und falsch. Dass die Reform nicht zum großen Wurf wird, ist weniger Scharping anzulasten als Kanzler und Finanzminister, die sich weigern, das nötige Geld herauszurücken. Die Radar-Affäre hat Scharping nicht zu verantworten; er war derjenige, der sie aufklären ließ. Bei der Uran-Munition lag er sachlich richtig, nicht seine Gegner. Und so schwerwiegend-peinlich die Mallorca-Bilder politisch sind - niemand behauptet, Scharping habe eine Fehlentscheidung bei der Vorbereitung auf den Mazedonien-Einsatz getroffen, weil ihm das Privatleben wichtiger gewesen sei.

Nein, nein, Scharpings Problem ist gerade nicht die Sachpolitik. Sondern sein schwieriges Verhältnis zu allem Emotionalen. Davor scheint er Angst zu haben. Wenn er diese Sperre aber überwindet, überzieht er schnell. So war es im Kosovo-Krieg: Als die Zweifel wuchsen, lieferte Scharping mit seinen rhetorischen Anlehnungen an Holocaust und Weltkrieg die emotionalsten, die allermoralischsten Begründungen. Im Streit um die Uran-Munition dann ein maßloses Hin und Her zwischen rhetorischer Eskalation und Deeskalation. Erst wurde der US-Botschafter einbestellt, dann testete Scharping eigenhändig, um die Ungefährlichkeit zu belegen. Damals turtelte er mit Gräfin Pilati bei Biolek ("Nur die Liebe zählt").

Dass der Verteidigungsminister beratungsresistent ist, dass er leicht die Bodenhaftung und die Selbstbeherrschung verliert, ist bekannt. Dass er sich für den einzig wahren Imageexperten in Sachen Scharping hält - oder inzwischen vermutlich Gräfin Pilati -, darf man unterstellen. Bemerkt er die Widersprüche bei seiner Persönlichkeits-Entblätterung in der "Bunten" nicht? Er lässt sich darauf ein, spielt mit bei den Fotos, obwohl er doch gar nicht will, "dass das private Glück zu einer öffentlichen Schau verkitscht wird"; er fordert politische Fragen, plaudert aber bereitwillig über Privates - und das auf dem Niveau eines Teenagers. Will man das hören, wenn seine Soldaten sich auf den Einsatz vorbereiten? Um die Parlamentsmehrheit haben derweil andere gekämpft: Kanzler Schröder, Außenminister Fischer.

Noch muss Scharping nicht zurücktreten. Über die Sachpolitik wird er nicht stolpern, auch sein Privatleben ist kein Grund - solange er es privat hält. Doch Scharping leidet Besorgnis erregend unter Kontrollverlust. Er wirkt, als habe er eine Reise ohne Wiederkehr angetreten. Das passiert, wenn einer völlig abgehoben hat. Oder unterbewusst wirklich nicht mehr weitermachen will.

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