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Ureinwohner Brasiliens protestieren am Strand von Rio gegen die Verschwendung von Naturressourcen.

© dpa

Rio und G 20: Als hätten wir andere Sorgen

Die Mächtigen dieser Welt wollen bei zwei großen Gipfeltreffen Antworten auf die drängendsten Probleme der Welt liefern - doch die Ergebnisse sehen dürftig aus. Was fehlt ist die Einsicht der Politiker in ihre Macht.

Bescheidenheit gilt als eine Zier. Für Paul Cézanne ist sie eine Eigenschaft, die vom Bewusstsein der eigenen Macht herrührt. Sympathisch eigentlich. Für Politik taugt sie dagegen meist nicht. Und ohne Macht ist es mit der Politik auch schnell vorbei. Was als Ergebnis von „Rio+20“ in die Geschichte eingehen wird, ist: bescheiden. Die mehr als hundert Staats- und Regierungschefs haben sich auf eine Abschlusserklärung verständigt, die sich als Bewusstwerdung der eigenen Ohnmacht deuten lässt, den drängendsten Sorgen der Welt etwas entgegenzusetzen. Keine Jahreszahlen, keine konkreten Ziele – und die Erklärung stand fest, bevor der Umweltgipfel überhaupt begonnen hat. Ach, und sie steht übrigens unter dem schönen Motto „Die Zukunft, die wir wollen“. Ist das Zynismus oder einfach nur die Bescheidenheit der Mächtigen?

Die Welt hat andere Sorgen. Das zeigt der Terminkalender dieser Woche. Während die Umweltunterhändler von Rio um die letzten Spiegelstriche einer dürftigen 49-seitigen Erklärung rangen, tagten gleichzeitig die 20 mächtigsten Industrieländer der Welt im mexikanischen Los Cabos. Ihr Thema war, mal wieder, die Schuldenkrise. Die dramatische Hintergrundmusik erschallte, mal wieder, aus Athen. Und von der ursprünglichen Agenda des Gastgebers, auf der nachhaltiges Wachstum und Jugendarbeitslosigkeit standen, blieb nicht mehr viel übrig. Klar, wo es die Aufmerksamkeit hinzog.

Die „Ergebnisse“ der Gipfel zusammengelesen könnte man sagen: Die Schwellenländer zahlen nun in den Internationalen Währungsfonds die Milliarden ein, die sie nicht in wirksame Umweltschutzmaßnahmen investieren müssen. Die Welt hat andere Sorgen. Hat sie? Sie sind vielleicht kurzfristig spürbarer, größer sind sie nicht. Fest steht: Die Umweltbewegung ist die ganz große Verliererin der Krise, deren Verursacher in Europa und den USA zu finden sind. Die Leidtragenden leben anderswo, weit weg, auf den Malediven, in Bangladesch, südlich der Sahara. Und die machtbewussten Führungspersönlichkeiten, die diesen Katastrophen angemessen Gehör verschaffen könnten, sind nicht in Sicht. Angela Merkel übrigens, die einstige Klimakanzlerin, ist erst gar nicht nach Rio gefahren. Nach Mexiko schon.

Das Problem der Umweltbewegung ist: Die Projekte vor Ort sind häufig konkret und lokal begrenzt– gegen die Abholzung eines Waldes, gegen einen Staudamm –, aber die Ursachen und Lösungen für Klimaprobleme sind es meist nicht. Da hilft Bescheidenheit nicht weiter, so sehr der alltägliche Kampf der Menschen vor Ort zu bewundern ist. Es braucht die Politik, die Einsicht der Mächtigen in ihre Macht. Glaube keiner, ein entschiedenes Vorgehen von, sagen wir, Obama, Merkel und Hollande sei von vorneherein aussichtslos. Der Klimawandel ist menschengemacht. Die Lösung muss es auch sein.

Man kann, wie es der deutsche Umweltminister nahelegt, sagen: beeindruckend, dass sich so viele Staatenlenker überhaupt auf irgendetwas einigen können, dass der Gipfel nicht gescheitert ist. Und Politik ist die Kunst des Machbaren. Aber Ehrgeiz sieht anders aus, und vielleicht braucht der Klimawandel mehr als Politik. Auf jeden Fall braucht er als Erstes die Aufmerksamkeit der Mächtigen. Für dieses Mal ist Rio abgehakt, das nächste Großereignis ist der anstehende Europa-Gipfel zur Schuldenkrise. Doch dann wird es Zeit, dass sich die große Politik wieder anderen Problemen zuwenden kann. Mit aller Macht. Ganz unbescheiden.

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