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POSITIONEN: Ein Einheitsdenkmal gibt es schon

Die Diskussion um das Einheitsdenkmal in Berlin ist in vollem Gange - vor allem, weil die Jury nicht einen der rund 500 Entwürfe für würdig genug hielt. Wenn es nach Gastautor Joachim Braun geht, braucht die Hauptstadt ohnehin kein neues Denkmal - sie hat schon eines.

Der Wettbewerb für ein Denkmal für Freiheit und Einheit ist gescheitert. Von den über 500 eingereichten Arbeiten empfahl die Jury nicht eine einzige für die zweite Runde. An den Künstlern allein lag es nicht, dass dieser Wettbewerb keine überzeugenden Ergebnisse gebracht hat. Die Auslober hatten das Projekt mit historischen Inhalten hoffnungslos überfrachtet und zudem mit der Schlossfreiheit den falschen Standort gewählt.

Jetzt wird neu nachgedacht. Die derzeit favorisierte Idee ist ein zweiter, diesmal eingeladener Wettbewerb mit einer begrenzten Anzahl prominenter Teilnehmer. Dieser zweite Anlauf sollte gar nicht erst gestartet werden. Denn wir haben bereits ein wunderbares Denkmal für Freiheit und Einheit. Es ist schöner als jedes künftige Denkmal sein könnte und es steht am richtigen Ort: das Brandenburger Tor.

Solange die Mauer stand, wurde das Brandenburger Tor in der ganzen Welt als Symbol der deutschen und der europäischen Teilung verstanden. Als die Mauer fiel und Deutschland vereinigt wurde, wurde das Brandenburger Tor wie von selbst zum Symbol der gewonnenen Freiheit und der wiedererlangten Einheit. Niemand musste dazu politische Beschlüsse fassen. Berlin-Besucher aus aller Welt strömen seither zuerst zum Brandenburger Tor. Der Pariser Platz, 30 Jahre lang menschenleeres militärisches Sperrgebiet, gilt längst als Festplatz der Nation.

Aber taugt ein klassizistisches Bauwerk vom Ende des 18. Jahrhunderts, das seine Errichtung dem Repräsentationsbedürfnis eines Preußenkönigs verdankt, 200 Jahre später als Freiheits- und Einheitssymbol des demokratischen Deutschland? Zugegeben: Es war nicht für diesen Zweck gebaut, und viele sind im Laufe der Zeit durch das Tor gezogen: die Truppen Napoleons und die Truppen Preußens, mal siegreich, mal geschlagen, die Aufständischen der Märzrevolution von 1848 und Hitlers SA-Horden. Aber im Bewusstsein der Gegenwart ist das alles weit weg. Für die heute Lebenden ist das Tor das überragende Symbol zuerst der Teilung und seit 1990 der Einheit in Freiheit.

Eines freilich kann das Brandenburger Tor nicht sein: das Denkmal der friedlichen Revolution vom Herbst 1990. Diese Revolution gehört allein den Ostdeutschen. Ihr Denkmal passt viel besser nach Leipzig als nach Berlin. Die Einheit aber gehört allen Deutschen von Rostock bis Konstanz, von Aachen bis Dresden. Ihr Denkmal gehört nach Berlin. Beide Themen vermengt zu haben, war einer der Fehler der Auslobung des gescheiterten Wettbewerbs.

Denkmäler sind Symbole, keine Museen. Auch das Brandenburger Tor erzählt die Geschichte nicht, deren Symbol sie ist. Es bedürfte eines zusätzlichen Dokumentationszentrums, so wie das Holocaust-Mahnmal erst durch sein überragendes Dokumentationszentrum seine volle Wirkungskraft erzielt. Das Gebäude, das diesen Zweck erfüllen könnte, existiert bereits: das Haus der Commerzbank unmittelbar neben dem Brandenburger Tor, Pariser Platz 1. Dieser strenge, neoklassizistische Bau von Josef P. Kleihues böte genau die räumlichen Voraussetzungen für ein konzentriertes Museum der deutschen Teilung und der deutschen Einheit. Dort würden die Touristen die Geschichten nachlesen können, die ihnen das Tor nicht erzählen kann.

Nun gehört dieses Gebäude nicht dem Bund, sondern der Commerzbank. Die Commerzbank hat aber soeben die Dresdner Bank geschluckt, die ihrerseits am Pariser Platz über eine stattliche Repräsentanz verfügt. Zwei Sitze am Pariser Platz braucht sie nicht. Und da sie im Zuge der Bankenkrise gerade erst vom Bund Finanzhilfen in Milliardenhöhe angenommen hat, sollte es möglich sein, eine Vereinbarung zu erreichen: Der Bund kauft, mietet oder pachtet von der Commerzbank das Gebäude Pariser Platz 1 und macht es zum Museum von Teilung, Einheit und Freiheit.

Die Hauptstadt hätte dann, ohne dass etwas Neues gebaut werden müsste, beides, das Denkmal und das Museum der Einheit und der Freiheit, unmittelbar nebeneinander und am populärsten Ort der Stadt.

Der Autor ist ehemaliger Chefredakteur des Sender Freies Berlin.

Joachim Braun

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