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Die erste CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht regiert unauffällig aber wirkungsvoll.

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Porträt: „Man muss immer vorbereitet sein“

Auf die große politische Bühne wollte Christine Lieberknecht nicht unbedingt. Die Ministerpräsidentin Thüringens profiliert sich als Selbstdenkerin mit Pfiff.

Von Antje Sirleschtov

Wenn einer im Osten Deutschlands nach blühenden Landschaften sucht, dann schickt man ihn am besten nach Thüringen. Dort sind die Leute bodenständig, die Arbeitslosigkeit hält sich in Grenzen und ihre Städte, Weimar oder Erfurt etwa, pflegen die Thüringer liebevoll. Weil Thüringen aber nicht so groß wie Nordrhein-Westfalen und Erfurt nicht so bedeutend wie Hamburg ist, wissen nur wenige, wer das Bundesland in der Mitte Deutschlands regiert. Und Christine Lieberknecht, die Ministerpräsidentin, hat sich Zeit gelassen, ihren bundespolitischen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Seit Oktober 2009 führt die 54 Jahre alte Christdemokratin die schwarz-rote Koalition im Erfurter Landtag, in dieser Woche leitet sie die Konferenz aller Ministerpräsidenten. Aber über die Grenzen des Politikbetriebes hinaus hat die Regierungschefin zum ersten Mal vor zwei Wochen Schlagzeilen gemacht. Und zwar ausgerechnet mit einem politischen Angriff auf die schwarz-gelbe Koalition in Berlin. Im Bundesrat hatte Lieberknecht eine Mehrheit für die Einführung von Mindestlöhnen zusammengetragen und ihre Parteichefin Angela Merkel damit unter Druck gesetzt. Schließlich ist in einem Jahr Bundestagswahl und da wird man als Kanzlerin von den eigenen Leuten nicht gern öffentlich an politische Versäumnisse erinnert, was Merkel ihren Landeschefs auch prompt mitgeteilt hat. Lieberknecht jedoch vertrat auch danach ihre Entscheidung. Von seiner Hände Arbeit, sagte die studierte Theologin und vierfache Großmutter, „muss man seine Familie ernähren können“. Und eine christliche Regierung müsse dafür sorgen.

Daraus abzuleiten, dass Frau Lieberknecht jetzt in die Bundespolitik strebt und dies sozusagen ihre öffentliche Annonce war, wäre allerdings fahrlässig. Dazu ist ihr die Heimat viel zu wertvoll und der Berliner Alltag wohl auch zu hektisch. Schon als es 2009 darum ging, ob die damalige Sozialministerin im Kabinett Dieter Althaus nach dessen Skiunfall das höchste Amt im Bundesland übernehmen sollte, zögerte Lieberknecht zunächst, den Schritt aus dem Kabinett hinauf an die Spitze des Bundeslandes zu machen. Obwohl sie sofort der Gedanke gereizt hat, mal nicht nur aus der zweiten Reihe heraus agieren zu müssen, sondern entscheiden zu können. Eine Tätigkeit, die der freundlichen, aber resoluten Frau Spaß bereitet, auch wenn sie bei öffentlichen Auftritten häufig ein wenig unsicher wirkt. Antje Sirleschtov

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