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Polizeipräsenz in Berlin: Schilder aufhängen reicht nicht

Was hilft eine Tempo-30-Zone, wenn sich keiner daran hält? Im heutigen "Kontrapunkt" wünscht sich Markus Hesselmann eine andere Präsenz der Berliner Polizei.

Von Markus Hesselmann

Bei uns vor der Haustür haben sie jetzt auch eine Tempo-30-Zone eingerichtet. Dann haben „sie“ – das ist das Chiffre für das zwischenzeitliche Eingreifen anonymer Mächte in unseren Alltag – sich nicht mehr darum gekümmert. Und jetzt wird in unserer Straße gerast wie zuvor.

Dass da kaum jemand langsamer fährt, ist Symptom einer langwierigen Berliner Krankheit: Da wird was geplant. Es tritt in Kraft. Und die Umsetzung? Die interessiert niemanden mehr.

Nicht alles, aber vieles davon ist Sache der Polizei. In diesen Tagen der tatsächlichen oder eingebildeten Terrorgefahr sehen wir sie mit Maschinenpistolen an vermeintlich neuralgischen Punkten stehen. Da zeigt sie Präsenz, Gottseidank. Sonst ist sie in den Berliner Kiezen meist nur im Auto oder auf dem Motorrad zu sehen.

Die Verwahrlosung des öffentlichen Raums in Berlin, das Klima der Rücksichtslosigkeit, hängt auch damit zusammen. Ich will hier nicht zum xten Mal die Litanei der Behelligungen herunterbeten, die trotz aller Regeln alltäglich sind - von der Hundekacke und den Glasscherben auf dem Spielplatz bis zur Radlerraserei auf dem Gehweg.

Bleiben wir bei der Geschwindigkeit: Sind Sie schon einmal in Berlin in einer Tempo-30-Zone wirklich 30 gefahren? Eine riesige Motorhaube schiebt sich in den Rückspiegel. Das schmerzverzerrte Gesicht des rasenden Mitbürgers dahinter ist gut zu erkennen. Wenn 50 gilt und man fährt 50, ist das nicht anders. Wer in Berlin behutsam abbiegt, weil ja ein Radfahrer kommen könnte, gilt als Verkehrshindernis. Wer an der Ampel bei dunkelorange hält, muss fürchten, dass hinten einer reinkracht. Vor einer Kita in unserer Straße gibt es eine Fußgängerampel. Dass da nicht noch einer bei Rot durchrauscht, ist fast schon die Ausnahme.

Geschwindigkeitskontrollen der Polizei heißen „Radarfallen“ und gelten als Wegelagerei und Geldschneiderei, nicht als legitimes Mittel, eine angemessene Geschwindigkeitsbegrenzung wie jetzt in unserer Straße durchzusetzen. Tempo 30 in unserer Straße macht nämlich Sinn, obwohl sie eine Durchgangsstraße ist. Denn sie wird gesäumt von Schulen und Kitas.

Mehr Polizei auf die Straße – die alte konservative Forderung geht am Thema vorbei. Denn die Polizei ist ja schon auf der Straße. Überall flitzt sie in ihren Corsas und Tourans herum. Die Polizei fährt vorbei. Anhalten sieht man sie selten, aussteigen fast nie. Anders als zum Beispiel in London, gehört der freundliche Polizist an der Straßenecke bei uns nicht zum Stadtbild: Der klassische Bobby, entspannt, ansprechbar, respektiert - ein wahrer Bürger in Uniform. Sogar nach dem Weg kann man ihn fragen und obendrein mit einer freundlichen Antwort rechnen.

Im Vergleich dazu hat die Berliner Polizei kein Gesicht, keine Gestalt, sie gehört nicht dazu. Sie verbreitet kein Gefühl der Anteilnahme, dem Gegenteil von Rücksichtslosigkeit. Für den Bürger gilt sie als Teil der Staatsmacht und nicht als Teil der Gesellschaft. Und die Staatsmacht kommuniziert nicht.

Mehr Kommunikation wäre aber ein erster Schritt. Über den Sinn einer neuen Tempo-30-Zone in einer Durchgangsstraße könnte zum Beispiel im Verkehrsfunk aufgeklärt werden. Die Polizei könnte das Internet stärker nutzen, zum Beispiel in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter, um solche Botschaften an die Bürger zu bringen. Dort müsste sie sich dann natürlich auch Kritik und Anregungen stellen.

An jener Fußgängerampel haben wir uns übrigens mal gestattet, einen Polizisten anzusprechen. Ob sich an der wenig fußgängerfreundlichen Ampelschaltung denn wohl etwas ändern lasse, lautete die freundliche Frage. „Weiß ich doch nicht“, muffelte der Uniformierte zurück. „Dafür bin ich nicht zuständig.“

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