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Meinung: PDS-Debatte: Così fan tutte

Nun scheint die PDS endlich angekommen zu sein im neuen Deutschland. Sie ist also gar nicht mehr so schlimm.

Nun scheint die PDS endlich angekommen zu sein im neuen Deutschland. Sie ist also gar nicht mehr so schlimm. Deshalb kann sie jetzt auch zur Mehrheitsbeschafferin für die SPD werden. Zum ersten Mal durfte die PDS beim Rentenkompromiss im Bund so richtig mitspielen. Das war natürlich auch eine Imagefrage für die Partei. Schließlich sind über 80 Prozent der PDS- Mitglieder Rentner. Da das Experiment gut ging, konnte es bei der Abwahl des Regierenden Bürgermeisters von Berlin wiederholt werden.

Man müsse endlich aufhören, die Stadt zu spalten, sagte Franz Müntefering, Generalsekretär der SPD: "Wer nach den Regeln ins Parlament kommt, der gehört dazu." Auch die Republikaner? Wie dem auch sei. Auf jeden Fall war die Abwahl Eberhard Diepgens zugleich die symbolische Rückkehr der DDR-Machteliten in die Hauptstadt. Seitdem geht es eigentlich nur noch darum, den Berlinern klarzumachen, wie gut es der Hauptstadt täte, wenn PDS und SPD auch hier endlich zusammenfinden würden. Schließlich haben beide Parteien auch eine Leidensgeschichte miteinander.

Aber nicht nur der gemeinsamen wechselvollen Geschichte wegen ist die SPD von ihrer Güte selbst noch überrascht, Arbeitsbeschafferin für neue und alte DDR-Funktionäre zu werden. Natürlich erkannte Gregor Gysi die Gunst der Stunde sofort, als er nach der Abwahl von Diepgen hoch über den Dächern Berlins verkündete: "Ich kandidiere!" Inzwischen ist bekannt, warum: "Damit das Zusammenleben in dieser Stadt friedlicher, kulturvoller, sozialer, gerechter, erfreulicher und damit auch fröhlicher wird."

Dagegen kann ernstlich niemand sein. Insbesondere dann nicht, wenn Gysi auch noch darauf besteht: Die drei Opernhäuser in Berlin aber müssen bleiben! Die braucht er nämlich. Denn bei seinem Urtalent zur Inszenierung wird Gysi der Versuchung nicht widerstehen können, den Spielplan auf allen drei Bühnen mitzubestimmen. Damit das Zusammenleben in der Stadt gerechter wird, werden die Finanzausschüsse unter seiner Regie in der Deutschen Oper tagen. Während die Abgeordneten versuchen, die Milliardenlöcher im Berliner Haushalt zum Bund und von dort wieder zurück zur Stadt zu schieben, wird ein Chor aus Beethovens "Fidelio" singen: "Wir wollen mit Vertrauen auf Gottes Hilfe bauen."

In der Komischen Oper kann zur gleichen Zeit ein Staatsakt stattfinden, bei dem die neuen Abgeordneten der SED-Nachfolgepartei, PDS, den Genossen der SPD ihre Anerkennung dafür aussprechen, dass sie nun endlich Vernunft angenommen haben. Vom Foyer her erfreuen unterdessen Solisten das Publikum mit Mozarts "In diesen heiligen Hallen kennt man die Rache nicht."

Von Zauberflöten an die Hand genommen, erinnert man sich danach am Buffet, dass man nun endlich dort ist, wo SPD und SED 1987 schon einmal waren, nämlich beim "Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit". So hieß ein gemeinschaftliches Dokument von SPD und SED damals. Leider fiel der Streit um dieses Papier aus. Denn es kam, was beide Parteien nicht bedacht hatten. Es kam die Revolution dazwischen. Aber Gutding kann warten. Einige Sozialdemokraten und Einheitssozialisten, die dieses Papier 1987 erarbeiteten, sind noch oder schon wieder im Amt. Man kennt sich also. Erinnerungen werden ausgetauscht. Wer hätte damals gedacht, dass man sich in der Oper zur Wiederaufnahme des kulturvollen Streits zusammenfinden könnte.

Die Bürgerrechtler hat man wegen Humorlosigkeit nicht eingeladen. Die waren ja schon 1987 nicht begeistert über die gemeinschaftlichen Gefühle von SPD und SED. Aus Trotz haben sie ganz Deutschland dann die Revolution geschenkt. Aber das tut jetzt auch nichts mehr zur Sache. "Wandel durch Annäherung" als Strategie der SPD war Anfang der 60er Jahre von Egon Bahr in Tutzing erfunden worden. Und der Wandel brauchte Geduld. Das wussten die Genossen beider Parteien. Daher schrieben sie 1987 in dem Papier von SED und SPD, beide Seiten "... müssen sich auf einen langen Zeitraum einrichten, während dessen sie nebeneinander bestehen und miteinander auskommen müssen. Keine Seite darf der anderen die Existenzberechtigung absprechen. Unsere Hoffnung kann sich nicht darauf richten, dass ein System das andere abschafft. Sie richtet sich darauf, dass beide Systeme reformfähig sind."

Es dauerte knapp 14 Jahre bis diese Reform endlich gelang. Ihr Geheimnis blieb der gemeinsame Streit. Er sollte kulturvoll und "... getragen sein von dem Versuch, sich zunächst in die Logik der anderen Seite hineinzudenken, freilich nicht, um deren Absichten stets gutzuheißen, sondern um die Zusammenhänge ihres Handelns zu verstehen." Und die Zusammenhänge sind zumindest im Augenblick ziemlich klar. Die SPD will an der Macht bleiben, und die PDS will an die Macht kommen. Wenn die PDS der SPD als Mehrheitsbeschafferin hilft, können eine Menge ABM-Stellen ehemaliger DDR-Funktionäre in feste Stellen umgewandelt werden.

In der Staatsoper Unter den Linden wird es zum Tag der Deutschen Einheit dann Mozarts "Cos¡¤ fan tutte" - "So machen es alle" - geben. Aus den Lautsprechern vor der Oper wird zu hören sein "Der Odem der Liebe erfrischet die Seele. Ein Labsal voll Sonne", damit es fröhlicher wird, das Zusammenleben in der Stadt. Ja, unterhaltsam und kulturvoll kann die Krise in Berlin mit Gregor Gysi werden. Ob er sie zu lösen vermag, bleibt fraglich. Aber darum geht es ja nicht unbedingt.

Die Autorin war bis 1980 Philosophie-Historikerin an der Akademie der Wissenschaften der DDR und lebt heute als freie Publizistin in Berlin-Weißensee.

Rita Kuczynski

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