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Offener Brief an Umweltsenatorin: "So behauptete Ihre Verwaltung wahrheitswidrig..."

Unser Leser Lothar Zülke hat sich mit einem Offenen Brief an Umweltsenatorin Regine Günther gewandt. Wir dokumentieren das Schreiben hier.

An die Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Regine Günther Am Köllnischen Park 3 10179 Berlin

Einleitung von Straßenabwässern in das Heiligenseer Grabensystem

Sehr geehrte Frau Günther,

ich bin einer der betroffenen Anwohner, der Langenauer Weg befindet sich zwischen dem Lindengraben und dem Birkengraben, und möchte von vornherein betonen, dass ich weder Mitglied der CDU bin, noch parteinah agiere. Ich betone dies deshalb, weil der CDU Wahlkreis Abgeordnete Stephan Schmidt sich dankenswerterweise sehr intensiv um die Belange der Entwässerungssituation in Heiligensee kümmert und sehr viele Anfragen an den Senat gestellt hat, so dass Sie fälschlicherweise den Verdacht haben könnten, es ginge hier auch um parteipolitische Aktionen.

Auf der von Herrn Schmidt am 21. Juni 2018 im Restaurant Villa Felice initiierten Informationsveranstaltung waren trotz Einladung weder Sie oder ein leitender Mitarbeiter/in Ihrer Verwaltung anwesend, noch haben Sie sich entschuldigen lassen. Das hat bei den ca. 150 dort anwesenden Anwohnern (weitere standen vor dem Saal) Unmut ausgelöst. Die Wasserwerke waren durch zwei leitende Mitarbeiter/in vertreten und auch die zuständige Stadträtin Frau Schultze-Bernd war anwesend. Da die meisten Probleme aber nur durch Sie oder Ihre Mitarbeiter hätten erläutert werden können, waren die Teilnehmer/innen über Sie als verantwortliche Senatorin sehr enttäuscht. Dies deckte sich jedoch mit den Verlautbarungen von Ihrer Verwaltung zur Situation der Entwässerungsgräben aus dem vergangenen Jahr.

So behauptete Ihre Verwaltung wahrheitswidrig sowohl in der Presse, als auch als Antwort auf parlamentarische Anfragen, dass die Gräben regelmäßig gereinigt werden würden und dass Ihnen eine Einleitung des Regenwassers von der A 111 in den Lindengraben nicht bekannt sei. Erst diverse Fotos und Recherchen von Privatpersonen haben dazu geführt, dass Ihre Verwaltung den völlig ungepflegten Zustand eingestanden hat und nun erfolgreich Ausbaggerung und Pflege in Auftrag gegeben hat. Die Arbeiten wurden im April erfolgreich beendet. Dafür möchte ich mich als Anwohner bedanken, auch wenn dies eigentlich Ihre Aufgabe ist.

Zur Einleitung des ungereinigten Abwassers von der Ruppiner Chaussee und der A 111 in den Lindengraben möchte ich folgendes feststellen:

Ursprünglich dienten die Gräben zur Entwässerung des Siedlungsgebietes und der direkt angrenzenden Straßen nach Regenfällen (beim Lindengraben: Am Dachsbau, Krantorweg, Platenhofer Weg und Silberhammer Weg). Die Wassermengen in den Gräben waren sehr gering und die Grabensohle bestand aus hellem Sand (ich wohne seit 71 Jahren in diesem Bereich). Seit der Einleitung des schmutzigen Regenabwassers nach dem Ausbau der Ruppiner Chaussee und von der A 111 ergießt sich nach Regenfällen ein riesiger Schwall von schwarzer „Brühe“ in den Lindengraben. Auf der Grabensohle und dem unteren Teil der Böschung lagert sich nach starken Regenfällen schwarzes Sediment ab. Durch die verstopften Durchlässe staute sich im regenreichen Sommer 2017 das Abwasser im Lindengraben zeitweilig bis zur Oberkante des Grabens, dadurch entstand ein hydraulischer Druck, der das Abwasser in das Erdreich drückte und in der näheren Umgebung den Grundwasserpegel nach oben drückte. Der hohe Grundwasserspiegel ist also zum Teil durch die Einleitung verursacht und nicht nur vom hohen Wasserstand in der Havel abhängig. Hier gilt auch das Verursacherprinzip, wenn Ihre Verwaltung durch Unterlassung der Pflegemaßnahmen oder durch übermäßige Einleitung von Abwasser in das Grabensystem für den steigenden Grundwasserpegel verantwortlich ist, können Sie in Regress genommen werden.

Wie es überhaupt zu der Entscheidung kommen konnte, verdrecktes Abwasser der Ruppiner Chaussee und der A 111 in den kleinen Lindengraben zu leiten, ist mir völlig unbegreiflich.

Jeder Grundstücksbesitzer oder Gewerbetreibender der Oberflächenwasser ins öffentliche Straßenland oder Abwasserkanäle leiten möchte, muss umfangreiche Auflagen erfüllen und Unbedenklichkeitsgutachten erstellen lassen und hier wird in großem Umfang unter der Verantwortung des Senats kontaminiertes Abwasser in die Entwässerungsgräben geleitet.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Abwasser der A 111 und der Ruppiner Chaussee auf den Verschmutzungsgrad in Hinblick auf Ölderivate und den Anteil an krebserregenden aromatischen Kohlenwasserstoffen und anderen Schadstoffen (Reifenabrieb, Bremsscheibenabrieb usw.) untersucht wird. Ist vor der Entscheidung bzw. nach den jetzt laut werdenden Beschwerden ein ökologisches Gutachten zu den Folgen der massiven Einleitung erstellt worden? Bitte teilen Sie mir bis zum 14.09.2018 mit, welche Untersuchungen bzw. Aufbereitungen des Abwassers der A 111 Sie durchführen lassen (gegebenenfalls Analyseergebnisse), um eine Gesundheitsgefährdung der Anlieger auszuschließen.

Viele Grundstücksbesitzer nutzen zur Gartenbewässerung und zum Absenken des Grundwasserspiegels eigene Brunnen und verteilen damit das kontaminierte Grundwasser im Boden. Außerdem gelangt das Abwasser aus den Gräben in den Niederneuendorfer See, dem gerade nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ein unbefriedigender Zustand zugeschrieben wird.

Sehr geehrte Frau Günther, Sie sind für die Partei die Grünen im Senat, aus diesen Gründen müssten Sie sich besonders für die ökologischen Folgen dieser Einleitungsmaßnahmen interessieren. Es ist nämlich nicht nur ein Grundwasser-Problem, welches vermeintlich naturgegeben ist!

Dazu ist es nicht akzeptabel, wenn Ihr Mitarbeiter Herr Stefan Tidow auf die Anfrage von Herrn St. Schmidt bezüglich der Abwässer der A 111 allgemein auf das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) verweist. Darin sind nur allgemeine Aussagen zur Einleitung enthalten. Da es eine Abwasserleitung von der A 111 direkt zum Klärwerk Ruhleben gibt, ist es völlig unverständlich, dass diese nicht ständig genutzt wird, um das kontaminierte Abwasser dort hin zu leiten. Außerdem sollten Sie bei Neubaumaßnahmen wie zum Beispiel der Grundsanierung der Hennigsdorfer Straße das Abwasser nicht unbehandelt in die Gräben oder in den Niederneuendorfer See einleiten lassen. Leider fühlt sich Ihre Verwaltung bisher nicht in der Pflicht, die bisherige Situation oder die geplanten Maßnahmen kritisch zu hinterfragen. Nach der Einstufung des Niederneuendorfer Sees nach der WRRL als unbefriedigend dürfte nach den Regeln des WHG weder das Abwasser von der A111 und der Ruppiner Chausseen noch das der Hennigsdorfer Str. ungereinigt in den Niederneuendorfer See eingeleitet werden.

Wir Anwohner in Heiligensee würden uns sehr wünschen, dass eine verantwortliche Senatorin der Grünen sich um die ökologischen Probleme in einem Naherholungsgebiet interessiert (auch hier gibt es Wähler, die „grün wählen“). Bei der Anwohnerversammlung am 21.6.2018 hätten Sie viel über die anstehenden Probleme erfahren können und Lösungsansätze mitnehmen können.

Es wird nicht das letzte Treffen in dieser Angelegenheit gewesen sein (der nächste Starkregen kommt bestimmt), vielleicht nehmen Sie sich beim nächsten Mal die Zeit, um sich vor Ort zu informieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Lothar Zülke

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