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Edward Snowden sollte in eine Zeugenschutzprogramm in Deutschland.

© dpa

NSA-Spionageskandal: Edward Snowden gehört in ein Zeugenschutzprogramm

Nach den neuesten Geheimdienstübergriffen der USA sollte die Bundesregierung - ohne jede falsche Hemmung und Rücksicht - eines tun: den früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden nach Berlin einladen

Der Bundespräsident hat den Ton vorgegeben, und so reagiert jetzt auch das bisher zurückhaltende Regierungslager auf die neuesten Geheimdienstübergriffe der USA, Tenor: Jetzt reicht’s! Zum ersten Mal wird hier, endlich!, eine klare Haltung deutlich, anstatt nur Affären für beendet zu erklären, bevor sie auch nur im Ansatz verstanden wurden. Aber bei der Politik der Politik muss man immer, wie bei den Geheimdiensten auch, um die Ecke denken. Und dabei fällt auf, dass die große Empörung ein wenig naiv wirkt. Denn ganz so überraschend kann das jetzt ja für niemanden mehr sein. Und wer sich mit Geheimdiensten beschäftigt, konnte sich das alles auch vorher denken. Vor 75 Jahren, 1939, hat Eric Ambler in seinem Roman „Die Maske des Dimitrios“ schon beschrieben, wie das so ist unter Freunden. Sein Meisterspion Grodek fasst es zusammen. Erstens: Gehe nie davon aus, dass sich zwei verbündete Nationen nicht gegenseitig ausspionieren. Zweitens: Verbündete sind nie ganz offen zueinander. Drittens: Vielleicht sind die Verbündeten morgen schon nicht mehr Verbündete.

Bundesregierung will legalisieren, was die Amerikaner schon tun

Was da gespielt wird, ist also eine scheinbare Empörung, und so etwas ist meistens nicht emotional, sondern absichtsvoll. In diesem Fall geht es um die Lizenz zur seit langem erwünschten digitalen Nachrüstung, mit Drohnen, Datenbunkern und Staatshackern im Auftrag ihrer Majestät Angela, mit allumfassendem Einsatzgebiet. Der frühere Geheimdienstkoordinator und Verteidigungsminister Thomas de Maizière will eine „360-Grad-Bewachung“, und da USA von uns aus gesehen bei etwa 250 Grad liegen, sind sie dabei. Die Bundesregierung will legalisieren, was die Amerikaner schon tun.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass es quasi kein Drohpotential zur Abwehr künftiger Spionage der USA in Deutschland gibt, soll nicht ein völliger Bruch riskiert werden. Allenfalls die öffentliche Empörungszeit könnte, wie der „Postillon“ schrieb, von drei auf fünf Tage ausgeweitet werden.

Wir hängen wie Marionetten am Datenalgorithmus

Aber was die Bundesregierung jetzt, bei diesem öffentlich bekannten Stand der Dinge, nun endlich mal tun könnte, ohne jede falsche Hemmung und Rücksicht, das wäre: Edward Snowden nach Berlin einzuladen. Die unheimlichsten Erkenntnisse sind ihm zu verdanken, und die Konsequenzen, die jetzt gezogen werden, auch. Früher, vor Snowden, ging es darum, was die Politik mit den Geheimdiensten macht. Heute geht es darum: Was machen die Geheimdienste mit der Politik? Und das ist längst nicht alles. Snowden hat den Blick dafür geschärft, was alles nicht nur möglich ist, sondern auch gemacht wird, über die Geheimdienste hinaus. Die Welt war schon anders geworden, heute sieht sie auch so aus. Was macht der Mensch mit der Maschine, das war die Frage von gestern. Heute lautet sie: Was macht die Maschine mit den Menschen? Wir hängen wie Marionetten am Datenalgorithmus. Also: Lassen wir nicht ausgerechnet den in Moskau hängen, der uns das klar macht und dafür sein Leben riskiert. Edward Snowden gehört in ein Zeugenschutzprogramm – hier, in Deutschland, einem Spionageziel der USA.

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