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Meinung: NS-Zwangsarbeiter: Ein Trost

Der Bundestag wird heute den "ausreichenden" Schutz der deutschen Wirtschaft feststellen, und das einmütig. Damit ist endlich der Weg frei für die Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeitern.

Der Bundestag wird heute den "ausreichenden" Schutz der deutschen Wirtschaft feststellen, und das einmütig. Damit ist endlich der Weg frei für die Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeitern. Ein besonderer Tag also, ein historischer. Ein Tag der Freude, ein Grund zum Aufatmen. Das große Werk ist geschafft!

Doch die Erleichterung hält nur für Sekunden. Es hat einfach zu lange gedauert, beschämend lange. Bald sechzig Jahre sind vergangen, seit Millionen Menschen für die Deutschen schuften mussten wie Sklaven. Die meisten der NS-Zwangsarbeiter haben jedoch bis heute keinen Pfennig bekommen.

Sie lebten in Osteuropa, hinter dem eisernen Vorhang. Das war schlecht für die Opfer, aber recht bequem für die Bundesrepublik und die deutsche Wirtschaft: Es gab keinen Grund, zumindest die moralische Verantwortung für die Ausbeutung mit einer finanziellen Geste anzuerkennen. Weltpolitik als willkommenes Alibi.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Osteuropa ist nicht mehr isoliert. Die Überlebenden können sich Gehör verschaffen, den kleinen Lohn für die Schinderei einfordern. Sie werden ihn nun bald auf ihrem Konto finden. Gut so.

Doch ist diese Entschädigung nicht der Menschenliebe zu verdanken. Die Überlebenden bekommen jeweils ein paar Tausend Mark, weil sich findige Anwälte in den USA ihrer Sache angenommen haben. Drei Jahre ist es jetzt her, dass sie Klagen gegen deutsche Unternehmen anstrengten. Erst im Moment dieser unkalkulierbaren Bedrohung ihrer Interessen, sahen sich Konzerne wie Daimler-Chrysler, Deutsche Bank oder BASF bemüßigt, aktiv zu werden. Und dann war da noch ein neuer Bundeskanzler, der die ihm liebe Wirtschaft unter Druck sah und - anders als sein CDU-Vorgänger - willig war, die Staatskasse nochmals zu öffnen.

Eigentlich sollte alles ganz schnell gehen, eben im Sinne der Opfer. Doch auf ihrem Rücken wurde zunächst um Geld gefeilscht: eine Milliarde, zwei Milliarden und so weiter. Dann bekam die Wirtschaft ihren Anteil nicht zusammen. Die von der Stiftungsinitiative erhoffte Solidar-Aktion geriet zum Debakel. Die meisten deutschen Firmen stellten sich allen Zahlungs-Appellen zum Trotz einfach taub. Dann lernten wir den Begriff Rechtssicherheit in all seinen noch so abstrusen Interpretationsmöglichkeiten kennen. Hätte doch die Wirtschaft so viel Energie für die Opfer entwickelt und nicht, um sich vor ihnen wasserdicht zu schützen! Die Überlebenden werden das nicht vergessen. Geld heilt solche Wunden nicht.

Es ist deshalb jetzt an der Bundesstiftung, überzeugend und rasch zu handeln. Sie muss gewährleisten, dass die Zwangsarbeiter umgehend über ihr Geld verfügen können. Das heißt: Nur so viel Bürokratie wie nötig, aber so viel Kontrolle wie möglich. Es darf kein unüberwindbares Verwaltungsproblem sein, die Sklavenarbeit nachzuweisen. Dazu gehört, dass die im August endende Antragsfrist ein paar Monate verlängert werden muss. Das gibt vielen, die bis heute verständlicherweise nicht an eine Entschädigung geglaubt haben, noch die Chance, aktiv zu werden. Ebenso wichtig ist aber, dass das Geld auch wirklich bei den Betroffenen ankommt und nicht irgendwo auf dem langen Weg etwa nach Kiew einfach versickert.

Die Stiftung trägt große Verantwortung. Das Rennen gegen die Zeit kann sie nicht mehr gewinnen. Viele der Opfer sind inzwischen gestorben. Sie kann allerdings wenigstens bis zum Erreichen des Ziels eine gute Figur machen. Vielleicht ist in vier, fünf Jahren das große Projekt Entschädigung der Zwangsarbeiter vollbracht. Dann kann man sich uneingeschränkt freuen. Fast.

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