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Meinung: Nordirland: Zwei Schritte zurück

Es gibt Krieg, es gibt Frieden, und es gibt ein Mittelding, das jeder aus der Zeitung kennt, aber keiner sich so genau vorstellen kann - den so genannten Friedensprozess. Der Prozess, so signalisiert dieses Wort, bewegt sich vom Krieg zum Frieden, und immer ist das Prinzip Hoffnung dabei.

Es gibt Krieg, es gibt Frieden, und es gibt ein Mittelding, das jeder aus der Zeitung kennt, aber keiner sich so genau vorstellen kann - den so genannten Friedensprozess. Der Prozess, so signalisiert dieses Wort, bewegt sich vom Krieg zum Frieden, und immer ist das Prinzip Hoffnung dabei. Im Nahen Osten gehört es schon einmal zum Friedensprozess, dass Israelis und Palästinenser sich an einem Verhandlungsort in den USA treffen, eine der beiden Delegationen wutentbrannt den Verhandlungstisch verlässt, dann doch wieder zurückkommt, was aber auch zu keinem Ergebnis führt. Prinzip: Stillstand. In Nordirland gibt es auch einen Friedensprozess. Der verläuft wieder nach einem anderen Motto: Zurück in die Vergangenheit.

Die Vergangenheit ist in Nordirland die Zeit, die vor dem Karfreitagsabkommen von 1998 liegt. Es herrschte Bürgerkrieg auf den Straßen von Belfast, und es gab Männer wie David Ervine. Der ehemalige Terrorist David Ervine, der 1974 im Gefängnis landete, überredete seine protestantischen Weggefährten zwei Jahrzehnte später zu einem Waffenstillstand mit der IRA. Ervine ist ein besonnener Mann, der beide Seiten kennt - den Untergrund des Terrors und den politischen Weg der Verhandlungen. Ohne seine Mitwirkung wäre das Karfreitagsabkommen, mit dem Nordirland seit über drei Jahren einen Weg in die Normalität sucht, nicht tragfähig gewesen. Das Abkommen wurde seinerzeit gerühmt, weil es auch die terroristischen Ränder auf beiden Seiten des Glaubens-Grabens einband. Jetzt hat sich David Irvine vom Friedensprozess erst einmal verabschiedet. Der ehemalige loyalistische Untergrundkämpfer glaubt inzwischen nicht mehr, dass die pro-irische IRA tatsächlich ihre Waffen abgibt.

Auch der bisherige nordirische Regierungschef David Trimble hat ernsthafte Zweifel an den Motiven der IRA und ihres politischen Arms, der Sinn Fein. Trimble ist zurückgetreten, die Radikalen unter den Konfliktparteien verlieren das mühsam gewonnene Vertrauen zueinander - das Karfreitagsabkommen droht zur Makulatur zu werden. Ist das Glas nun halb leer oder halb voll? Diejenigen, die noch an ein Funktionieren des Abkommens glauben, verweisen auf die Marschsaison, die sich in diesen Tagen auf dem Höhepunkt befindet. Sie ist so friedlich verlaufen wie seit Jahren nicht mehr. Die Umzüge von Nordirlands Traditionalisten sind in diesem Jahr nicht zum gewohnten Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen geworden.

Indessen droht Nordirlands Regierungskoalition aber an der Hartnäckigkeit von Gerry Adams zu zerbrechen. Der Sinn-Fein-Chef, der ähnlich wie David Irvine Mitte der neunziger Jahre auf der Seite der Katholiken zu einer Schlüsselfigur zwischen Terror und Politik wurde, verweigert inzwischen jede Auskunft über den Preis für eine Entwaffnung der IRA. Stattdessen zielt Adams mit immer neuen Maximalforderungen auf eine grundlegende Reform der protestantischen Polizei Nordirlands. Mit dieser Haltung hilft Adams der Unruheprovinz nicht weiter, sondern in die Gegenrichtung: Zwei Schritte zurück.

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