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Meinung: MY BERLIN Was ich am Walfang liebe

Wale retten ist eine dursttreibende Angelegenheit. Die hässlichen aufgequollenen Säugetiere mit ihren kleinen flachen Augen haben etwas an sich, das Journalisten automatisch dehydriert und sie auf die Suche nach einem Bier gehen lässt.

Wale retten ist eine dursttreibende Angelegenheit. Die hässlichen aufgequollenen Säugetiere mit ihren kleinen flachen Augen haben etwas an sich, das Journalisten automatisch dehydriert und sie auf die Suche nach einem Bier gehen lässt. Die „Times“ ließ sich nicht so einfach überzeugen, dass die Berliner Walfang-Konferenz überhaupt ein Thema sei – wir Briten bevorzugen fetten Speck mit Eiern oder Tran. So ernannte ich mich für einen Tag zum Walfang-Korrespondenten des Tagesspiegel, setzte mich in eine strategisch günstige Ecke der Bar des Hotels „Estrel“ und beobachtete, wie die Delegierten von ihren stundenlangen Debatten mit hochgestochenen Argumenten um Netze und Fangquoten eintrafen.

Regelmäßige Leser wird es nicht wundern, dass meine Sympathien den Walkillern gehören. Ich mag es nicht, wenn Greenpeace meine Sushi-Versorgung bedroht. Wenn man die Wale erst in hohem Alter sterben lässt, was sollen dann die Norweger zum Frühstück essen? Und wie soll sich der Nationaltorhüter der Faröer neue Schuhe leisten, wenn man ihm den Verdienst am Wal nimmt?

Um es deutlich auszusprechen: Wale sind nicht kuschelig, liebenswert oder hilfreich. Was haben sie je für uns getan? Haben sie Großbritannien 1940 vor der deutschen U-Boot-Flotte geschützt? Nein. Oder den 11. September verhindert? Ganz gewiss nicht. Solange Wale leben, sind sie ziemlich nutzlos. Es klingt für mich nicht logisch, dass man sie schützen muss, nur weil sie sonst eines Tages aussterben könnten. Würde man dieses Modell auf die Politik anwenden, müssten wir alle kräftig für die PDS spenden. Manche Spezies ist nun einmal zum Aussterben verdammt, und da hat es wenig Sinn, sich gegen die Natur zu stellen. Oder gegen die japanische Fangflotte.

Auch meine Walkiller traf ich dann an der Bar: einen japanischen Delfinologen, einen Norweger und einen Isländer. Doch selbst auf diese Angehörigen von Nationen, die Harakiri und Edward Munch hervorgebracht haben, wirkte die Estrel-Theke zu depressiv. So machten wir uns auf ins Zentrum. Irgendwo zwischen Kreuzberg und Kantstraße verloren wir den japanischen Delfinologen, vermutlich wird er immer noch vermisst.

In der Paris-Bar machten wir offenbar einen so wichtigen Eindruck, dass man uns an Michel Friedmans Stammtisch platzierte, in praktischer Nähe zur Toilette. Ich stellte mich auf einen interessanten Abend ein. Der Grund, warum ich Walkiller liebe, ist, dass ich ein Romantiker bin und seit frühen Jahren besessen von Moby Dick – dieser epischen Schlacht um Amerikas Seele, verkleidet als Albino-Wal. Ich freute mich auf ein detailliertes Gespräch über Harpunen. Und, wie viel Blut Wale vergießen. Das war so die erhoffte Richtung – Männergespräche.

Stattdessen wollte ein Skandinavier wissen wo man Vinyl-Langspielplatten kauft. Er war ein Fan von „Freddy and the Dreamers“ und darauf aus, jede Einspielung zu diskutieren, die sie je gemacht hatten. Der andere Kumpan zeigte mir ein Foto seiner Frau und seiner Kinder. Alle Ikea-blond. Dann fragte er mich, wo man in Berlin die besten Frauen findet. Offenbar hatte ihm der Walfang-Kongress keine Gelegenheit geboten.

Plötzlich überfiel mich feuchtkalt Klaustrophobie, als sei ich in einen Lift eingesperrt mit lauter Delegierten einer der entsetzlichen Weltstrafgerichtshof-Konferenzen; mehr die Welt bügelfreier Hemden als die Käptn Ahabs. Ich entschuldigte mich und nahm Reißaus. Um Himmels willen, dachte ich im Taxi nach Hause, lasst die Wale doch leben! Was schaden sie denn groß? Sie sind bestimmt nicht langweiliger als die Waljäger. Und vielleicht, ganz vielleicht, verbirgt sich hinter ihrer fett-tranigen Außenhaut ein Gefühl für Würde.

Der Autor ist Korrespondent der britischen Tageszeitung „The Times“. Foto: privat

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