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Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt wieder einmal die Corona-Politik.

© imago images/Metodi Popow

Merkels Corona-Appelle wirken hilflos: It's the Botschaft, stupid!

Der Kampf gegen Corona fordert verständliche und klare Botschaften. Die Politik stiftet gerade eher Konfusion. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Abstand, Maske – und wie hieß noch gleich die dritte Regel? Angela Merkel brauchte einen Zuruf von der Seite: richtig, Hygiene. Die Szene in der Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel symbolisiert ziemlich gut den Stand der deutschen Corona-Politik. Nimmt man den Auftritt der Kanzlerin am nächsten Morgen im Bundestag hinzu, lässt er sich in zwei Sätzen zusammenfassen:

Selbst die nimmermüde Merkel blickt nicht mehr auf Anhieb durch.

Und sie glaubt keine Sekunde daran, dass das, was gerade beschlossen wurde, zur Eindämmung der Pandemie reicht.

Niemand glaubt ernsthaft an einen Durchbruch

Nun war Merkel immer schon die Dränglerin in der Krise. Das Schlimme ist nur, dass niemand, der bis Drei zählen kann, den leicht verstärkten Lockdown light für nachhaltig effektiv hält.

Ein Blick in Nachbarländer wie Belgien oder Frankreich reicht: Dort sinken endlich die katastrophalen Zahlen – nach einem harten Lockdown.

Aber die allgemeine Coronamüdigkeit hat offenkundig auch viele Entscheidungsträger befallen. Man will sich als Länderchef nichts mehr sagen lassen, hangelt sich über die Feiertage und hofft inständig, dass es glimpflich ausgeht. Speziell die Kultusminister betreiben mittlerweile Wirklichkeitsverweigerung unter Absingen edler pädagogischer Lieder.

Das Problem bei diesem ganzen Verfahren liegt aber weniger in einzelnen Maßnahmen, die getroffen werden oder nicht.

Langfristkonzepte nur fordern ist zu einfach

Auch die Kritik, es fehle am Langfristkonzept, geht an der Sache vorbei. Nicht zufällig haben gerade die lautesten Kritiker selber keins. Der Schutz vulnerabler Gruppen, so sinnvoll er zusätzlich ist, taugt dafür jedenfalls nicht. Der Kreis der Gefährdeten fällt viel zu groß aus.

Nein, das Hauptproblem ist eins der politischen Psychologie.

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Deutschland kam ausnehmend gut durch die erste Welle, weil die Politik gerade noch rechtzeitig und gemeinsam Alarm schlug und die Bürger ihr trauten. Dieser Erfolg trägt zu dem paradoxen Effekt bei, dass wir die viel ernstere zweite Welle nicht mehr ganz so ernst nehmen. Die schnellen Erfolge bei den Impfstoffen wirken ähnlich. Das Licht am Ende des Tunnels erscheint dadurch näher, als es in Wahrheit ist.

Menschlich kann man das gut verstehen. Unsereiner ist als Spezies nicht für den permanenten Alarmzustand gemacht. Selbst im Krieg, die ganz Alten wissen das noch, bricht sich irgendwann der Drang zur Normalität bis hin zum glatten Leichtsinn Bahn.

Wir sind alle kleine Corona-Sünderlein

Umso wichtiger wären gerade jetzt klare Botschaften, die durch Müdigkeit, Überdruss und all die kleinen Nachlässigkeiten hindurch dringen, die sich – sind wir ehrlich – jeder erlaubt.

Die Hauptbotschaft wird aber von lauter Nebenbotschaften überlagert. Die sind für sich genommen legitim. Man kann über regionale Unterschiede genauso debattieren wie über Beteiligung der Parlamente von Bund wie Ländern. Dass mancher Ministerpräsident die nahende Landtagswahl im Hinterkopf hat und mancher aus der Opposition die mageren Umfragewerte im Blick – geschenkt.

Aber wenn sich Kanzlerin und Ministerpräsidentenkonferenz als Krisenstab der Republik betätigen – wofür sie legitimiert und zuständig sind –, dann gehört Krisenkommunikation dazu. Die hat sehr einfache Regeln: Kurz muss die Botschaft sein, verständlich, klar.

15 Seiten Beschlusstext voller „kann“ und „sollte“ sind das Gegenteil. Und Merkels Appelle an unser aller Vernunft - sie wirken vor diesem Hintergrund hilflos.

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