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Weil er sich nicht zu einem Lob für den Nato-Einsatz in Libyen durchringen konnte, stand Außenminister Guido Westerwelle zuletzt auch in der eigenen Partei in der Kritik.

© dapd

Libyen: Westerwelle würdigt Nato-Einsatz zu spät

Libyen bleibt ein peinliches Kapitel für Außenminister Guido Westerwelle und die schwarz-gelbe Bundesregierung. Ein Kommentar.

Erst hat Westerwelle Deutschland neutralisiert, jetzt neutralisiert Deutschland Westerwelle - die Außenpolitik der Regierung löst sich in Unwohlgefallen auf, der Außenminister wird ausgeschaltet. Mit seiner Enthaltung zur Libyen-Resolution hatte Westerwelle die Bundesrepublik zumindest in dieser Frage von seinen Verbündeten getrennt; Deutschland stand plötzlich im Kreise lauter starken Gelegenheitsneutralisten: Russland, China, Brasilien und Indien. Die Nato griff derweil ohne deutsche Unterstützung in Libyen ein. Der Außenminister konnte oder wollte mit dem gerade eroberten Sitz im Sicherheitsrat nichts rechtes anfangen, die Entscheidung überließ er anderen.
Als es jetzt darum ging, den unmittelbar bevorstehenden Sturz Gaddafis politisch auszuschlachten, war Westerwelle weniger enthaltend, plötzlich hatte er seine Stimme wiedergefunden: Ohne die Nato für ihren Einsatz zugunsten der Rebellen zu würdigen, beanspruchte er einen Anteil am Sieg für seine Diplomatie und die Sanktionspolitik Deutschlands. Doch den Kopf einzuziehen ist das eine, ihn hervorzurecken das andere; beides zusammen gesehen wirkt in diesem Fall beschämend, und zwar nicht nur für den deutschen Außenminister, sondern für die deutsche Außenpolitik. Sonst immer gern der vorlaute Erste, wirkt Westerwelles nachgeschobene Respektserklärung wie eine herausgequälte amtserhaltene Maßnahme.
Zuvor waren die innenpolitischen Verbündeten von Westerwelle abgerückt, endlich, wenn es denn überhaupt noch Verbündete waren. Dessen Nachfolger als FDP-Vorsitzender, Philipp Rösler, unterstrich jedenfalls so klar die Bedeutung der Nato für den Erfolg der Rebellen, dass der Kontrast zum Trotz des großen Enthalters Westerwelle messerscharf ist scharf genug jedenfalls, um auch den letzten Faden, mit dem der Außenminister noch an dieser Regierungskoalition hängt, zu durchtrennen. Und auch die Bundeskanzlerin sah sich angesichts der rechthaberischen Attitüde Westerwelles nun ganz offensichtlich genötigt, der Nato vernehmlich ihren Respekt auszusprechen.

Für beide, Rösler wie Merkel, ist dies ein bitterer Moment, denn ihre Wort lenken zugleich den Blick zurück auf ihr eigenes Handeln, beziehungsweise: dem Gegenteil davon. Westerwelle wurde zwar seines Parteiamtes beraubt und auch seiner inoffiziellen Funktion als Vizekanzler, aber das Außenamt ließen sie ihm, die angeblich so jungen Wilden in der Partei. Auf dem entscheidenden Parteitag wurden Westerwelles Kritiker sogar gedeckelt. Fehler für Rösler, Fehler für die Liberalen, Fehler für Deutschland.
Und die Kanzlerin? Hat sie die Enthaltung wirklich gewollt? Dann hätte sie ihren Außenminister seinerzeit damit nicht allein lassen dürfen. War es ein Kompromiss? Dann offenbart dies einen eklatanten Mangel an Führungsstärke in einem wichtigen Moment. Libyen war, ist und bleibt ein peinliches Kapitel für Deutschland. Mit ihren Worten von Samstag kann Merkel darüber nicht hinwegschwurbeln.

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