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Familienfreundlicher will Leyen die Bundeswehr gestalten.

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Leyens Reformpläne: Jeden Vergleich mit der Wirtschaft wird die Bundeswehr verlieren

Wie kommt die deutsche Armee an guten Nachwuchs? Das von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verordnete Attraktivitätsprogramm allein wird da nicht helfen. Es braucht mehr Impulse aus der Politik.

Von Robert Birnbaum

Wie viel McKinsey braucht die Bundeswehr – und wie viel verträgt sie? Die Frage ist schon länger virulent, aber seit Ursula von der Leyen die Führung der Streitkräfte übernommen hat, scheint der Umbau der Armee mit den Mitteln und Methoden der Unternehmensberater beschlossene Sache. Die Rüstungsabteilung sollen demnächst Männer mit Aktenköfferchen auf Vordermann bringen. Das Attraktivitätsprogramm, das die Verteidigungsministerin gerade vorgelegt hat, spricht von „E-Recruiting“ bis „Wohnambiente“ schon jetzt die Sprache des Managerseminars. Und die Chefin selbst erteilt einen neuen Kampfauftrag: „Die Freiwilligenarmee Bundeswehr soll jedem Vergleich mit der Wirtschaft standhalten.“
Jedem Vergleich? Na ja. Leyen hat vor kurzem die allererste Betriebs-Kita der Bundeswehr eingeweiht, Kosten 2,4 Millionen Euro, acht Jahre vom Plan bis zur Eröffnung – das erfreuliche Ereignis dokumentiert zugleich den Rückstand, der da aufzuholen ist. Das neue Programm umfasst 100 Millionen Euro für fünf Jahre und für mehr als nur Kinderbetreuung. Darüber als Titel „Bundeswehr in Führung“ zu schreiben ist fast schon frech.
Richtig ist das Projekt trotzdem. Wenn Kritiker monieren, von dem Geld sollte man lieber bessere Ausrüstung kaufen, übersieht das die Gefechtslage. Seit ihr die Wehrpflicht abhanden gekommen ist, steht die Bundeswehr an einer zweiten Front. Sie muss um Nachwuchs kämpfen in Zeiten, in denen junge Menschen Mangelware sind. Ihr neuer Gegner rückt nicht mit Gewehren und Panzern an, sondern mit flexiblen Arbeitszeiten.

Misstrauen in der Truppe

Eine Armee kann da nur begrenzt mithalten; im Ernst- und Einsatzfall kann sie es gar nicht. Um so wichtiger jeder Versuch, wenigstens unnötige Beschwernisse aus dem Weg zu räumen. Sie stammen oft noch aus Zeiten, in denen der Gedanke als obskur galt, einen Soldaten als Mitarbeiter zu behandeln. Internet und Telefon frei und umsonst vom Hindukusch bis zur hohen See – wer über solche Pläne spottet, hat keine Ahnung, wie sehr junge Menschen darunter leiden, aus der Online-Welt ins Münzfernsprechermittelalter zurückzufallen. Weniger Versetzungen, Job-Börsen, Arbeitszeitkonten, bessere Karriereplanung – alles richtig. Selbst Führungsseminare für Vorgesetzte sind nützlicher als das die meisten Vorgesetzten glauben wollen.

Jawohl, die Bundeswehr als Arbeitgeber braucht und verträgt McKinsey und Co, sogar mehr als Ursula von der Leyens Etat hergibt. Dass die Offensive mittels Powerpoint-Folien auf ein gewisses Misstrauen in der Truppe stößt, ist trotzdem verständlich: Derlei Programme gab es schon mehrere. Deshalb ist es gut, dass sich Leyen selbst enge Zeitziele setzt.

Altbackene Methoden

Nur: Jedem Vergleich mit der Wirtschaft wird die Bundeswehr auch dann nicht standhalten. Nicht, weil das Programm zu klein wäre. Sie wird es nie können. Der Arbeitgeber Bundeswehr bleibt ein ganz besonderer. Auch andere Firmen verlangen viel von ihren Angestellten – Leib und Leben nicht. Attraktitätsprogramme können unnötige Härten verhindern – die Härte dieses Jobs nicht. Ausgerechnet ihr „unique selling point“, ihr Alleinstellungsmerkmal ist schwer zu verkaufen. Die bisherigen Versuche nach der Melodie „Wir. Dienen. Deutschland.“ wirken arg altbacken. Der Auftrag ist schwieriger: Eine moderne Armee wird dann weiter die Richtigen finden – die Talentierten, Begabten, Engagierten –, wenn sie ihnen sinnvolle Aufgaben bietet. Das können keine McKinseys. Das kann nur Politik.

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