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Ein Drittel der Deutschen arbeitet in der Pandemie im Homeoffice. Da geht noch mehr. Doch manche Chefs wollen die Leute im Büro haben.

© Uwe Anspach/dpa

Kontrolle ist nicht die Lösung: Liebe Chefs, vertraut euren Mitarbeitern im Homeoffice mehr!

Auch nach der Pandemie sollte jeder der will, mehr von zu Hause arbeiten können. Dem steht jedoch ein uraltes Gefühl im Weg: das Misstrauen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Melanie Berger

Es klingt nach Drohung und Hoffnung zugleich: Die Corona-Pandemie wird die Arbeitswelt prägen, auch lange nachdem sie vorbei ist. Eine der einschneidendsten Veränderungen, die diese Krise für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen gebracht hat, ist der sprunghafte Ausbau der Homeoffice-Tätigkeit.

Was früher als Privileg galt, ist plötzlich für sehr viele machbar. Mehr Heimarbeit für jene, die wollen, auch nach der Pandemie – das wäre eine positive Folge der Krise. Dem steht jedoch ein uraltes Gefühl im Weg: das Misstrauen.

Es ist wünschenswert, dass der unkomplizierte Wechsel zwischen Homeoffice und Büro den Arbeitnehmer: innen auch nach der Krise erhalten bleibt. Aus einer Studie der Krankenkasse DAK aus dem Sommer 2020 ging hervor, dass sich ein Großteil der Menschen im Homeoffice produktiver fühlt und Beruf und Familie besser verbinden kann.

Darauf, dass nun die Bürotürme in Frankfurt und Berlin aus Mangel an Mietern abgerissen werden, kann man aber nicht bauen. Denn möglich ist nicht gleich erwünscht. Anwesenheit im Büro hat natürlich Vorteile.

Zurufe im Großraumbüro sind schneller als Slack-Nachrichten oder Anrufe, persönliche Unterredungen führen aufgrund von Körpersprache und Ton seltener zu Missverständnissen als E-Mails. Das Stresslevel des Gegenübers kann besser eingeschätzt werden. Und viele Chefs glauben zumindest, sie hätten mehr Kontrolle über ihre Mitarbeiter:innen.

Vorurteile der Vorgesetzen beim Homeoffice

Dieser letzte Punkt ist Unternehmer:innen teils so wichtig, dass sie ihre Angestellten selbst in einer Pandemie ins Büro zitieren. Mitarbeiter: innen berichten in der Krise von offenem Misstrauen der Geschäftsführung, von Sprüchen wie „welch ein seltener Gast“ oder gar Kündigungsdrohungen.

Eine Befragung von 300 Führungskräften durch die Personalerfirmer Robert Half ergab im September 2020, dass ein Drittel der Chefs glaubt, ihre Mitarbeiter:innen würden im Homeoffice Wäsche waschen, mit Freunden telefonieren und online shoppen.

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Woher kommt dieses Misstrauen? An und für sich ist Misstrauen kein schlechtes Gefühl. Lange Zeit war es für die Menschen überlebensnotwenig – in Zeiten ohne Polizei, ohne Justizsystem, ohne Geldwirtschaft oder Verträge.

Wer zu leicht vertraute, der riskierte finanziellen Schaden oder gar den Tod. Misstrauen hatte also eine Schutzwirkung. In der Moderne wurde dies teilweise überflüssig, denn Institutionen üben nun eine gewisse Kontrolle über die Menschen aus. Solch eine Kontrollfunktion erfüllt in Teilen auch der Büroalltag.

Berufseinsteiger wollen flexibel arbeiten

Man sieht, wer anwesend ist, wer am Platz auf die Tastatur tippt, wer stundenlang an der Kaffeemaschine quatscht. Dabei patrouilliert niemand hinter den Angestellten durchs Büro und guckt, ob sie tatsächlich arbeiten. Anwesenheit reicht als Beweis für Betriebsamkeit.

Es gilt, diesem Rückfall auf eine uralte Emotion in Abwesenheit von Kontrollinstanzen gegenzusteuern. Denn der Wunsch nach Kontrolle ist unnötig. Untersuchungen belegen, dass Mitarbeiter:innen im Homeoffice keineswegs weniger, sondern sogar mehr arbeiten. Das Misstrauen steht dem künftigen Ausbau von flexiblem Arbeiten im Weg.

Doch genau das fordern immer mehr junge Berufseinsteiger:innen. Führungskräfte, die auf „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ setzen, dürfen sich nicht wundern, wenn die Kontrollierten weglaufen.

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