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Angela Merkel in Brüssel.

© AFP

Kommentar: Merkel hat alle Fäden in der Hand

Eine Kanzlerin, deren Regierung in Berlin Endzeitstimmung verbreitet, zeigt sich auf dem Brüsseler Gipfel als führungsstarke Politikerin. Auf europäischer Ebene bekommt Angela Merkel viel Unterstützung.

Falls es stimmen sollte, dass der Fußball den Nationalismus offen zutage treten lässt, dann wird diese Vermutung in Frankreich gerade widerlegt. Die Franzosen schwärmen bei der WM nicht für ihr eigenes Team – nein, an „la Mannschaft“ entzündet sich ihre Fantasie. „La Mannschaft“, wie das deutsche Team traditionell in Frankreich heißt, verkörpert all jene mit Deutschland verbundenen Attribute, wie sie auch in der gegenwärtigen Europa-Debatte eine Rolle spielen: kraftvoll, durchdacht, erfolgreich im Abschluss. Selbst Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gratulierte bei seinem letzten Besuch in Berlin.

Im Fußball ist es einfach, sich für andere mitzufreuen. In der Politik sind Niederlagen schwieriger zu verkraften. Wäre das monatelange Ringen zwischen Berlin und Paris über den richtigen Weg aus der Euro-Krise ein Fußballspiel, dann stünde es gegenwärtig 3:1 für Deutschland: Angela Merkel setzte sich erstens durch im Fall Griechenland, wo die Kanzlerin die Überwachung des Athener Schuldenabbaus durch den Internationalen Währungsfonds erwirkte. Zweitens war sie erfolgreich in der Diskussion über die EU-Entscheidungsgremien, mit denen sich die Europäer gegen ein Wiederaufflammen der Spekulation gegen ihre Gemeinschaftswährung wappnen wollen. Und drittens läuft das Spiel auch in der Frage, wie groß die Sparpakete in der EU sein sollen, in ihre Richtung: Frankreichs Präsident, der wegen der möglichen Rezessionsgefahr zunächst kein gutes Haar am Berliner Sparpaket ließ, hat inzwischen selber eines angekündigt.

Einen Treffer kann Sarkozy wiederum für sich verbuchen: Die Bundesregierung widersetzt sich nicht mehr der Vorstellung, dass die Antwort auf die Krise in einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung zwischen den EU-Staaten liegt. Auch Merkel gebraucht inzwischen den französischen Begriff einer „Wirtschaftsregierung“ – selbst wenn deren Umrisse auch nach dem Brüsseler EU-Gipfel im Ungefähren blieben.

Die Krise schweißt die Europäer zusammen. Das zeigt sich in der grundsätzlichen Einigung auf eine Bankenabgabe und der gemeinsamen Position zur Finanztransaktionssteuer, die die EU beim G-20-Treffen vertreten will. Egal wie dort die Diskussion verläuft, ist es schon einmal ein positives Signal, dass der neue britische Premier David Cameron überhaupt bei dem Vorhaben mitmacht, die Banken und Finanzmärkte in die Pflicht zu nehmen.

Bemerkenswert an diesem EU-Gipfel ist auch, dass Merkel in ihrem Streit mit Sarkozy, ob denn nun künftig alle EU-Staaten sich als Wirtschaftsregierung betrachten sollen (wie die Kanzlerin es will) oder nur die Euro-Gruppe, viel Unterstützung bekommen hat. Nicht zuletzt die osteuropäischen EU-Staaten, die zum Großteil noch nicht Mitglied der Euro-Zone sind, sind hier auf der Seite der deutschen Regierungschefin. Es ist schon paradox: Die Kanzlerin, deren schwarz-gelbe Regierung in Berlin Endzeitstimmung verbreitet, zeigte sich in Brüssel als führungsstarke Politikerin, die alle Fäden in der Hand behält.

Gerade weil sich der Führungsanspruch der Bundesregierung in Europa in diesen Tagen so deutlich zeigt, sollte Merkel eines sehr ernst nehmen – die Ängste, die sich in Frankreich in die Bewunderung des deutschen Partners mischen. In Paris grassiert vor allem die Furcht vor einem Berliner Alleingang in der Europapolitik. Dass auch die EU immer so etwas wie eine Mannschaft ist, sollte die Kanzlerin tunlichst bedenken.

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