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Obama oder Romney? Demokraten oder Republikaner? Der Wahlkampf spaltet die US-Bevölkerung in zwei Lager.

© dpa

Kolumne zur US-Wahl: Republikaner und Demokraten puppen sich ein

Wer Romney unterstützt, kann nur Rassist, wer Obama unterstützt, kann nur Sozialist sein – zumindest wenn es nach Meinung der jeweils anderen Partei geht. Die US-Wahl spaltet das Land, der Wahlkampf polarisiert und die Medien sind längst ein Teil davon.

Wozu gibt’s Parteitage? Für die Menschen da draußen, das Volk, die Wähler? Nein, Parteitage dienen der Partei und ihrem Spitzenkandidaten. Sie soll geeint und er gestärkt werden. Sie soll elektrisiert und er gekrönt werden. Der Ritus gleicht in seiner Funktion dem Kreis, den eine Sportmannschaft kurz vor Beginn des Spiels bildet, die Arme um die Schultern gelegt, und sich mit letzten lauten Anfeuerungsrufen motiviert. Oder dem Abendmahl, das die Gläubigen seelisch gerüstet in die Woche schickt.

In Amerika ist das nicht anders. Republikaner und Demokraten inszenieren ein gigantisches Schauspiel, um sich ihrer eigenen Kraft zu vergewissern. Die Zuschauer im Land dienen als Staffage. Manchmal gelingt es zwar einem Kandidaten, anschließend in den Umfragen ein paar Prozentpunkte zuzulegen, doch weitaus entscheidender ist in aller Regel das erste TV-Duell. Der Wähler bildet sich sein Urteil am liebsten im direkten Vergleich

Herausforderer Mitt Romney hat in der vergangenen Woche in Tampa sein Ziel erreicht. Mit dem Rekordwert von 87 Prozent stehen die Republikaner jetzt uneingeschränkt hinter ihm. Auch ihre Abneigung gegen Barack Obama ist mit 90 Prozent auf einem neuen Hoch. Drei Viertel der Republikaner empfinden jetzt gar starke Antipathien gegen den amtierenden Präsidenten.

Bildergalerie: Der Parteitag der Republikaner in Tampa

In den jüngsten Umfragen liegen Romney und Obama gleichauf, mal liegt der eine, mal der andere knapp vorn. Und es wäre überraschend, wenn sich der Trend nach dem Parteitag der Demokraten drastisch ändern sollte. Denn ein ohnehin polarisiertes Land erlebt einen polarisierenden Wahlkampf. Und die Medien sind längst ein Teil davon.

Auf der Meinungsseite der liberalen „New York Times“ standen am vergangenen Samstag vier große Stücke. Alle richteten sich gegen die Republikaner. Im ersten wurden sie der permanenten Lügnerei bezichtigt. Im zweiten hieß es, sie seien außenpolitisch zerstritten. Im dritten machte sich der Autor über den Parteitags-Auftritt von Clint Eastwood lustig. Im vierten wurde die angebliche Wirtschaftsinkompetenz der Partei bemängelt.

Auf der anderen Seite geht’s nicht minder parteiisch zu. Der konservative TV-Sender „Fox News“ hämmert seinen Zuschauern jeden Abend dieselben Vergleichszahlen zu 2008 ein. Millionen mehr Arbeitslose, ein Benzinpreis, der sich verdoppelt hat, eine Staatsschuldenlast, die um fünf Billionen Dollar gestiegen ist.

In den USA bilden sich Kokons

Weil es in Amerika kein starkes öffentlich-rechtliches Rundfunksystem gibt (PBS hat nur geringe Einschaltquoten), wird in der Tendenz verbreitet, was der eigenen Klientel gefällt. Die liberalen Medien finden ihr Fressen, wenn sich ein Republikaner mit radikalen Ansichten zur Abtreibungsfrage blamiert. Die konservativen Medien registrieren aufmerksam, ob und an welcher Stelle im neuen Programm der Demokraten ein Gottesbezug gestrichen wurde. Beide Seiten leben in parallelen Wahrnehmungswelten, die sich kaum je berühren. Der Begriff dafür heißt „cocooning“.

Auch Washington D.C. bildet einen solchen Kokon. In 37 der 50 US-Bundesstaaten sind die Zustimmungswerte für Obama unter 50 Prozent gesunken. Doch in der Hauptstadt liegen sie bei 83 Prozent (auf Platz zwei liegt Hawai mit 63 Prozent). Hier ist der Präsident mit großem Abstand so beliebt wie nirgendwo sonst im Land. Das liegt zum einen an dem großen schwarzen Bevölkerungsanteil, zum anderen aber an den vielen Staatsangestellten, die schon aus eigenem Interesse gegen Ausgabenkürzungen und Pläne für einen „schlankeren Staat“ sind (dessen Gegenteil von Sarah Palin einst als „a nanny state run amok“ - einen durchgeknallten Kindermädchenstaat - verspottet wurde).

Bildergalerie: Der Parteitag der Demokraten in Charlotte

Wer im Kokon lebt, sieht das Andere nicht. Kein Vergleich, kein Abwägen, kein argumentativer Diskurs. Seit dem Jahr 1992 misst das Meinungsforschungsinstitut Gallup die politischen Einstellungen der Amerikaner. Damals, vor 20 Jahren, bezeichneten sich 43 Prozent als moderat. Seitdem sinkt dieser Wert stetig. Heute sind es nur noch 35 Prozent. Und nicht einmal George W. Bush hat die Bevölkerung dermaßen in Gegner und Befürworter gespalten wie heute Obama. Während dem amtierenden Präsidenten 80 Prozent der Demokraten bescheinigen, eine gute Arbeit zu machen, tun dies nur zwölf Prozent der Republikaner. Der Bewertungsgraben beträgt mithin 68 Prozent. Bush kam auf dem sympa-tiefsten Stand seiner Präsidentschaft auf maximal 59 Prozent.

Ein gespaltenes Land, ein polarisierender Wahlkampf: Wer Romney unterstützt, kann nach Meinung vieler Demokraten nur Rassist, reich, evangelikal oder verrückt sein. Wer Obama unterstützt, kann nach Meinung vieler Republikaner nur Sozialist, faul, atheistisch oder verrückt sein. Auf Parteitagen wird diese Botschaft noch verstärkt. Keine Krönungsmesse ohne symbolische Enthauptung des Gegners. Nicht nur in Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod - in Amerika tut er dies eigentlich immer. Jedenfalls bei Wahlen.

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