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Hatice Akyün ist Autorin und freie Journalistin. Sie ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause.

© promo

Kolumne "Meine Heimat": Von Obama lernen heißt Vielfalt akzeptieren

Barack Obama hat gewonnen, weil viele daran glauben, dass man es überallhin schaffen kann, wenn man nur will - egal, wo man herkommt oder woran man glaubt. Davon könnte Deutschland lernen und endlich begreifen, dass Vielfalt keine Bedrohung ist, sondern eine Bereicherung.

God Bless America, heißt dieser Ohrwurm von Irving Berlin, den ich in den USA bei jeder Gelegenheit zu hören bekam. Zugegeben, ich habe es nicht so mit öffentlichen Segnungen, aber als unser aller Barack Obama mit der First Lady und den Töchtern auf der Bühne in Chicago stand, Tausende von Menschen „four more years“ skandierten und das nicht als Drohung, sondern als Verlockung empfanden, hat mich das berührt und nicht zu knapp.

Man wird nicht müde zu betonen, dass der Glamour von Obama abgefallen, die Aura des Erlösers erloschen sei. Das stimmt. Man kann ihm ruhig ansehen, dass seine Gegner alles getan haben, um ihm das Leben schwer zu machen. Dafür finde ich, hat er noch viel Charme bewahrt, was offenbar bei vielen Verzweiflung auslöst, da er nicht kleinzukriegen ist.

Putzig fand ich im Übrigen die Analysen in Deutschland, dass Obama nicht von Weißen, sondern mehrheitlich von Frauen, Jungen, Schwarzen, Asiaten und Hispanics gewählt wurde. Ach so, nur von denen. Sind das keine Bürgerinnen und Bürger der USA?

Ich würde zustimmen, dass Obamas erste Amtszeit durchwachsen war. Immerhin hat er seine Gesundheitsreform durchgeboxt. 30 Millionen Amerikaner bekommen nun eine Krankenkassenversicherung. Dass Guantanamo immer noch der Schandfleck unserer westlichen Wertegemeinschaft ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die republikanischen Wähler konnten sich damit anfreunden, dass Katastrophenschutz privatisiert werden soll, Sozialstaat europäischer Kommunismus ist, Freiheit an den Geldbeutel gekoppelt wird und Bildung ein Luxusgut ist. Religiöse Eiferer, wie die Tea- Party und Propagandasender wie Fox-News, hetzten das Volk auf, so dass die Republikaner, die einst stolze Partei von Abraham Lincoln, inhaltlich dominierte.

Barack Obama hat gezeigt, dass der amerikanische Traum lebt, dass es jeder überallhin schaffen kann, wenn er nur will. Dass er bleibt, hat er jenen zu verdanken, die daran glauben, dass man das Leben selbst gestalten kann. Und so war sein Wahlkampf mit Tausenden von ehrenamtlichen Helfern technisch und organisatorisch ein Meisterstück, getragen von der Leidenschaft, für etwas zu sein statt dagegen. Egal, woran du glaubst, wo du herkommst, ob du weiß oder schwarz bist, Latino oder Indianer, schwul oder hetero, du kannst es hier schaffen, sagte er in seiner Siegesrede.

Spätestens jetzt bin ich reif für eine Dosis deutscher Politik, damit mir meine Euphorie ausgetrieben wird. Sie übersieht nämlich für parteipolitische Zwecke allzu gerne, dass in einer globalisierten Welt der multikulturelle Hintergrund selbstverständlich ist und eine bunte Gesellschaft keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung.

Oder wie mein Vater sagen würde: „Köprüyü gecene kadar ayiya dayi derler“ – bis man über der Brücke ist, muss man zum Bären Onkel sagen.

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