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Premiere: Familienfoto vom ersten Integrationsgipfel mit der Kanzlerin 2006

© Johannes Eisele/ddp

Integrationsgipfel: Lasst uns über Desintegration reden!

Den letzten Gipfel dominierte zum ersten Mal das Großthema Rassismus. Jetzt sollte man auch darüber reden, wer das Land wirklich spaltet. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Und wieder ein Integrationsgipfel. Der letzte liegt gerade ein halbes Jahr zurück und brachte, unter dem Eindruck der Morde von Hanau, eine Art Paradigmenwechsel für die Veranstaltung. Die Kanzlerin kündigte nach dem Gipfeltreffen an, dass sie einen Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rassismus einrichten und das Thema zur Chefinnensache machen werde. Zum ersten Mal, praktisch jenseits des offiziellen Gipfelprogramms, war die jahrelange Kernforderung von Migrations- und Minderheitenorganisationen ins Zentrum gerückt: Diskriminierung und rassistische Angriffe als Hauptproblem des Einwanderungslands Deutschland zu begreifen, statt sich vor allem „Integrationsverweigerer“ vorzuknöpfen und tatsächliche oder vorgebliche Defizite der Eingewanderten und ihrer Kinder anzuprangern – von denen etliche damit zu tun haben, dass sie täglich von Rassismus betroffen sind.

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Auch diesmal arbeitet sich der Gipfel an den alten Baustellen ab: Sprachförderung oder Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Was, wenn auch dieses Treffen, das zwölfte, einen Schritt weiter ginge und anerkennen würde, dass es eigentlich unter falscher Flagge segelt: Integration? Die Desintegration geht nicht von einer vielfältigen Gesellschaft aus, sondern seit langem und inzwischen unübersehbar – NSU, Lübcke, Halle, Hanau – von einer zunehmend gewalttätigen Rechten, die diese Vielfalt beenden und eine deutsche Nation herbeimorden will, die selbst das Bismarckreich nicht war. Das Land, das sich manche „zurückholen“ wollen, ist ein Hirngespinst.
Die Gipfel, die den Köpfen der Einwanderungsgesellschaft erstmals breite Sichtbarkeit verschafften, hatten ihren guten symbolischen Sinn. Heute wirken sie aus der Zeit gefallen. Was Deutschland braucht, ist alltägliche Migrationspolitik. Und der Kampf gegen das Problem, das seine Zukunft bedroht: Rassismus.

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