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Der Schauspieler und Moderator Ilja Richter setzte sich in den vergangenen Monaten gemeinsam mit anderen Künstlern für das Hotel Bogota ein.

© Foto-Combo: dpa

Institution in Charlottenburg: Ende des Bogota: Es soll uns eine Leere sein

Vorwärts ins glanzvolle Nichts: Gastautor Ilja Richter über ein allzu trauriges Ende des historischen Hotels Bogota in Ku'damm-Nähe.

Jegliches hat seine Zeit.

Steine sammeln, Steine zerstreun.

Bäume pflanzen, Bäume abhaun,

Leben und Sterben und Streit.“

Die Puhdys (Text: Ulrich Plenzdorf)

Nein, von Streit kann nicht die Rede sein. Der Inhaber der Immobilie Schlüterstr. 45, Herr Dr. Bscher, sei nicht persönlich mit dem Hotel-Pächter Rissmann verstritten. Sogar finanziell ist er ihm durchaus sehr entgegengekommen... Aber wenn ein Hotel viel zu früh stirbt, in dem Joachim Rissmann und seine Schwester Sandy Rissmann mit ihren Eltern ihre Kindheit und Jugend verbracht haben – wird das schon eine ganz andere Sache sein als bei Hermann Hesse: „Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten...“

Der Dichter wohnte, wenn’s zu Haus wieder mal nicht so lief, gern im Hotel. Das Schwarzwälder Hotel „Palmenwald“ in Freudenstadt ist jüngst von einer mächtigen, bulgarischen Hotelkette gerettet worden. In Sachen Bogota ist nichts mehr zu retten. Oder sagen wir es mal so: Falls Sie im nächsten Jahr Raum für Raum durchschreiten möchten – in der Schlüterstr. 45, weil Sie vielleicht dringend ein Büro eröffnen wollen, seh ich da durchaus Möglichkeiten. Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Nur, dass Hesses Gedicht von den Stufen hier eher in ein glanzvolles Nichts führen wird. Wie kann ein Nichts glänzen? Der Ku’damm kann! Vom letzten Original-20er-Jahre-Kurfürstendamm-Hotel, dem berühmten „Hotel am Zoo“, existiert jetzt noch die vordere Fassade. Reine Kulisse.

Wie der Vater, so der Sohn: Joachim (li.) und Steffen Rissmann.
Wie der Vater, so der Sohn: Joachim (li.) und Steffen Rissmann.

© Thilo Rückeis

Nun müssen wir ja auch nicht traurig darüber sein, bald nicht mehr die Spuren der Nazis von der Reichskulturkammer verfolgen zu können, die hier ab 1942 samt ihrem Verwalter, Herrn Hinkel, ihr Unwesen trieben. Man muss doch auch mal vergessen können. Und ohne Veränderung hätten so viele aus der historischen Erinnerungsabteilung keine Arbeit. Was wird nun aus Yvas Fotoatelier, jenem Studio, in dem der junge Helmut Newton sein Handwerk gelernt hat? Jedem Anfang wohnt ein Penthouse inne. Selbstverständlich unter Berücksichtigung strengster Auflagen des Denkmalschutzes; ein Schutz, der darüber wacht, dass nach außen hin die ursprüngliche Farbgebung des Gebäudes stimmt und kein Stein herausgenommen oder versetzt werden darf. Aber auf die inneren Werte kommt es an – und die sollen uns eine Leere sein.

Die Ku’damm-Touristen sind auf jeden Fall ganz begeistert. Und zwar von dem, was so tut, als ob es so war, wie es jetzt ist. Nur nicht so zimperlich! Es gibt ja schließlich noch Filmdokumente. Seit Anfang Oktober drehe ich meinen Dokumentarfilm über die letzten Stunden des Bogota. Und natürlich über die Historie des Hauses. Wahrscheinlich wird der illustre Reigen prominenter Menschen, die ich interviewen darf, noch länger werden, weil die Zeit drängt. Mir fiel schon jetzt auf, dass niemand Herrn Dr. Bscher als einen Bösewicht oder kaltherzigen Mann betrachtet. Er macht ja im Grunde genommen nur das, was zum Beispiel am Kurfürstendamm rauf und runter an der Tagesordnung steht: mehr Rendite durch mehr Luxus.

Dass diese Rechnung nicht immer aufgeht, verraten uns hier und da immer wieder glanzvolle, leer stehende Räume. Im Übrigen habe ich den Eindruck, dass die von mir befragten Persönlichkeiten das Hollywoodprinzip zu sehr verinnerlicht haben.

Mir geht es ähnlich. Ich dachte an einen Gerichtstermin, der von Herrn Dr. Bscher auf überraschende Weise genutzt wird, den guten Menschen vom Kurfürstendamm aus der Box springen zu lassen. Die Hoffnung starb mit dem Lokaltermin.

Ilja Richter

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