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Hungerkrise in Ostafrika: Ohne Bilder keine Hilfe

Warum reagiert die Welt immer so spät auf Krisen wie jetzt in Ostafrika? Man könnte den Eindruck gewinnen, dass das Absicht ist. Denn Regierungen funktionieren ganz ähnlich wie alle Menschen: Erst wenn die Krise am schlimmsten ist, handeln sie.

Dürre ist in Ostafrika kein neues Phänomen. Zwischen 1980 und 2011 gab es immerhin 42 Phasen extrem geringer Niederschläge und dramatischer Ernteausfälle. Allein in den vergangenen zehn Jahren haben 47 Millionen Menschen wegen der sich wiederholenden Dürren in Ostafrika zu wenig zu essen gehabt. Am schlimmsten hat es 1983 Äthiopien getroffen, als mehr als 400 000 Menschen in der großen Hungersnot umkamen. Die Daten stammen aus der Internationalen Desaster-Datenbank, die von einer belgischen Nichtregierungsorganisation betreut wird.

Tatsächlich hat die Weltgemeinschaft auf das Problem reagiert. Schon vor 20 Jahren, nach der somalischen Hungersnot, die den Untergang der Regierung des Diktators Siad Barre mitbewirkte, haben die USA damit begonnen, ein Hungerfrühwarnsystem für die Region zu finanzieren. Alle, die es wissen wollten, waren spätestens seit dem vergangenen Herbst gewarnt. Eine Regenzeit war schon ausgeblieben, das Klimaphänomen La Nina war absehbar, und seit Monaten sind die Kämpfe in Somalia dramatischer und brutaler geworden. Dass diese Mischung zu einem regelrechten Exodus führen musste, war absehbar. Und so ist es jetzt ja auch gekommen.

Es gab durchaus Reaktionen der Gebergemeinschaft. Schon zur Jahreswende sind die Nothilfeetats für Ostafrika aufgestockt worden. In der Region wurden Nahrungsmittellager eingerichtet. Derweil sind die Lebensmittelpreise in Ostafrika dramatisch gestiegen. In Kenia ist Maismehl im Mai im Vergleich zum Vorjahr um 246 Prozent teurer gewesen. In Somalia waren es 160 Prozent. In Äthiopien stieg der Preis für Weizenmehl im Mai im Vergleich zu 2010 um 66 Prozent. Außer in Äthiopien gibt es in der gesamten Region Proteste gegen die steigenden Lebenshaltungskosten. Und in Äthiopien wird nur deshalb nicht demonstriert, weil jede Äußerung von Kritik an der Regierung nicht nur verboten ist, sondern geradewegs ins Gefängnis führt.

Die Regierung von Premierminister Meles Zenawi hat auch schon mehrfach bewiesen, dass sie jederzeit bereit ist, auf Demonstranten schießen zu lassen. Jedenfalls ist absehbar, dass die Hungerkrise nicht nur Auswirkungen auf diejenigen haben wird, die unmittelbar hungern oder zu wenig zu essen haben. Angesichts der steigenden Preise wird diese Zahl weiter wachsen. Damit steigen die politischen Risiken für die Regierenden in Kenia und sogar Äthiopien, die derzeit von tausenden somalischen Flüchtlingen überrannt werden. Dass es bei der derzeit praktizierten Gastfreundschaft bleibt, ist keineswegs ausgemacht.

Warum also reagiert die Welt immer so spät auf Krisen wie jetzt in Ostafrika? Es liegt wohl daran, dass Hungersnöte immer schleichend anfangen. Dann wird erst mal abgewartet, ob es nicht doch irgendwie gut ausgeht. Und dann wird auf das viele Geld verwiesen, das doch schon präventiv beispielsweise zur Förderung der Landwirtschaft ausgegeben wird. Das ist allerdings viel weniger als die Nothilfe, die fällig wird, wenn wieder die ersten Kinder verhungern.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass das Absicht ist. Denn Regierungen funktionieren ganz ähnlich wie alle Menschen: Erst wenn die Krise am schlimmsten ist, handeln sie. Hilfsorganisationen werden erst dann mit privaten Spenden überschwemmt, wenn im Fernsehen die Bilder sterbender Kinder zu sehen sind. Genauso ticken die Geberregierungen der Welt: Wenn der öffentliche Druck wächst, jetzt doch bitte mehr Geld für die Rettung hungernder Menschen zur Verfügung zu stellen, wird das Geld lockergemacht.

Für langfristige Hilfen für Bauern, deren Erfolg nicht innerhalb einer Legislaturperiode zu sehen ist, gibt es deutlich weniger Geld. Auch für die Vorbereitung auf Notlagen, also die Anpassung an den Klimawandel beispielsweise, gibt es nicht so viel Unterstützung. Und wenn doch, hat das für die betroffenen Regionen manchmal eine unerwünschte Nebenwirkung. Nämlich die, dass weniger Geld dort ankommt. Denn wenn bei einer Katastrophe weniger Menschen sterben, gibt es auch weniger dramatische Bilder.

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