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© dpa

Finanzkrise: Lasst die Banker Fenster putzen!

Im nächsten Jahr werden vermutlich 250.000 Beschäftigte des Bankensektors arbeitslos - zu einer Zeit, in der händeringend nach Kindermädchen, günstigen Putzkräften und Pflegepersonal gesucht wird. Gebt diesen Bankern etwas zu tun, statt sie auszugrenzen!

Haben Sie in letzter Zeit mal Monopoly gespielt? Die Regeln gelesen: „Die Bank geht niemals bankrott. Der Bankhalter kann zusätzliches Geld herstellen, indem er die Werte auf kleine Zettel schreibt.“

Kein Zweifel, die Führer der Welt sind mit Monopoly vertraut. Aber die Summen, die sie den Banken in den Rachen schmeißen, wirken sogar als Spielgeld absurd.

Eine meiner klügeren Entscheidungen in der Schule war die, Mathematik nicht ernst zu nehmen. Astronomie ja, Arithmetik nein. Die Finanzkrise gibt mir recht. Die USA haben gerade einen 700-Milliarden-Rettungsplan für ihre Banken ins Leben gerufen. Warum 700? Warum nicht 480? Oder 720? Eine Sprecherin des US-Finanzministeriums bestätigt meinen Verdacht: „Wir wollten schlicht eine sehr große Zahl.“ Das ist die Art von Mathematik, die ich verstehe. Das Gleiche gilt für die Hypo Real Estate oder Hypno-Bank, wie ich sie lieber nenne: Beim staatlichen Rettungspaket ruft sie als Erste nun 15 Milliarden ab und kündigt gleichzeitig an, dass sie mehr braucht. Gleichzeitig fällt es mir schwer, ein paar tausend Euro von der Bank zu kriegen, um eine Steuerschuld zu bezahlen. Die Zahlen sind außer Kontrolle. Sogar die „Financial Times“, die Bibel oder das Kamasutra der Bankenwelt, wurde offenbar überrascht. „How to spend it“ nennt sich die Beilage der „FT“ und versteht sich als Ratgeber für Banker, die nicht wissen, was sie mit ihren Boni machen sollen. Ein Vorschlag – kein Witz! – war ein Gürtel, der automatisch enger oder weiter wird, je nachdem, ob man Gulasch, Maultaschen oder gar nichts gegessen hat: Der Dunhill Mechanical Belt kostet 5962 britische Pfund. Zehn Tage später sah sich die Kummerkastentante der Zeitung mit der Frage eines Bankers konfrontiert, ob er lügen solle, wenn sich bei einer Party jemand nach seinem Beruf erkundigt. Die Antwort: Geben Sie vor, Schriftsteller zu sein, der an seinem ersten Roman schreibt.

Banker sind nun Aussätzige, und alle normalen Menschen sind vollkommen zahlenverwirrt: Wer sich im Klassenzimmer verzählt, wird bestraft. Wer sich im echten Leben verzählt, der bekommt die Steuergelder von denen hinterhergeworfen, die ihre Rechnungen brav bezahlen. Die Rettungspakete helfen den Banken, nicht den überschuldeten Hausbesitzern. Um Schulden zu machen, braucht es zwei, aber nur einem wird derzeit geholfen. Björk, die merkwürdige isländische Popsängerin, sagte gerade, die Banker ihrer Insel würden sich verstecken. Im Grunewald ist es nicht ganz so schlimm. Bisweilen sieht man, wie jemand mit einer braunen Tüte über dem Kopf in eine C-Klasse einsteigt, und dann denkt man: Dresdner! Oder: Commerzbank! Aber das passiert nicht oft. Die nehmen inzwischen alle die S-Bahn.

Wirklich spannend wird es erst, wenn – okay, falls – Peter Sodann (besser bekannt als Kommissar Ehrlicher) im Mai zum Bundespräsidenten gewählt wird. Der Schauspieler ist der Kandidat der Linkspartei. Gäb’s eine Direktwahl, hätte er durchaus eine Chance: Ein „Tatort“-Kommissar, den Millionen aus dem Fernsehen kennen, unterstützt von einer Antibankenpartei, tritt gegen Horst Köhler an, der bekannt geworden ist als Chef des Internationalen Währungsfonds, als Freund und Förderer der Banker. Leider sind Wahlen in Deutschland nicht so. Aber falls, falls, falls, dann würde der kommissarische Bundespräsident persönlich den Bankern Handschellen anlegen – eine Verbesserung gegenüber den silbernen Rolexuhren, die sie jetzt tragen. Und dann würden wir im Schloss Bellevue Brecht rezitieren und Buletten essen statt Lachstartar auf Rucola. Die Boni der Banker würden an Suppenküchen überwiesen.

Bevor es dazu kommt, möchte ich rufen: Beendet sofort diese Hasskampagne! Grenzt die Banker nicht aus! Jeder verdient eine zweite Chance, und auch Banker können eine positive Rolle in der Gesellschaft spielen. Gefängnis, Herr Sodann, ist keine Lösung für diese missverstandenen Menschen. Nach aktuellen Schätzungen werden im nächsten Jahr 250 000 Beschäftigte des Bankensektors arbeitslos sein. Eine Viertelmillion, und das zu einer Zeit, in der händeringend nach Kindermädchen, günstigen Putzkräften und Pflegepersonal gesucht wird. Gebt diesen Bankern – die meisten sind Männer; offenbar ist die Finanzkrise von Testosteron befördert – etwas zu tun! Man kann sie anlernen, die Laken bei Tante Elfriede zu wechseln oder die Fenster zu putzen, an die man immer so schwer rankommt. Schimmelentfernung? Rufen Sie einen freigestellten Banker an. Passen Sie aber auf, dass er seine Finger von Leons Sparschwein lässt. Und dass er Steuern zahlt. Es gibt schon viel zu viel Schwarzarbeit in Berlin.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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