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Meinung: Europapolitik: Der Dritte Weg frisst seine Minister

Europapolitik in den Zeiten von BSE, das heißt: schnelle, möglichst effektive, für das Publikum nachvollziehbare Schadensbegrenzung. Auf welcher Ebene die Politik dem allgegenwärtigen BSE-Problem Herr wird, ist den Wählern am Ende herzlich wurscht.

Europapolitik in den Zeiten von BSE, das heißt: schnelle, möglichst effektive, für das Publikum nachvollziehbare Schadensbegrenzung. Auf welcher Ebene die Politik dem allgegenwärtigen BSE-Problem Herr wird, ist den Wählern am Ende herzlich wurscht. Muss der europäische Agrarrat ein klares Wort über das Verfütterungsverbot von Tiermehl an Schweine und Geflügel sprechen? Müssen die Brüsseler Experten sich nicht auch des nationalen Wissenschafts-Sachverstandes bedienen, um die Frage kompetent lösen zu können? Und sollte das Recht der Verbraucher, eine BSE-freie Nahrung zu verzehren, nicht auch irgendwo schriftlich festgehalten werden - europaweit und in einer Art Charta vielleicht? Die schnörkellose Antwort: Dem Wähler ist das alles egal, wenn er nur möglichst schnell nichts mehr von BSE hören muss.

Genau dieses Wahnsinns-Beispiel zeigt aber, worum es bei der gegenwärtigen europapolitischen Debatte geht: Um eine Kompetenzabgrenzung zwischen Regionen, Nationalstaaten und der Europäischen Union, jenem Gebilde, dem das Verfassungsgericht einst die kaum verständliche Bezeichnung "Staatenverbund" verpasst hat. Auch wenn das Publikum es angesichts der Materie nicht so genau merkt: Hinter den Kulissen wird zwischen den Herren Schröder, Chirac und Blair erbittert um die künftige Gestalt Europas gestritten. In dieser Woche trifft Schröder gleich beide - seinen britischen Amtskollegen und den französischen Präsidenten. Mit Frankreich verbindet die deutschen Europapolitiker immerhin der Wunsch, endlich die große öffentliche Debatte über eine europäische Verfassung, das künftige Gewicht der Nationalstaaten und die Föderations-Gedanken des Privatmannes Joschka Fischer anzuzetteln.

Wichtig ist, was beim Bürger ankommt

Mit Großbritannien verbinden Kanzler Schröder derzeit viele Dinge. Die Europapolitik gehört leider nicht dazu. Auf der Insel wird im Frühjahr gewählt, und bis dahin muss Premierminister Blair von Europe schweigen, wenn er weiter im Amt bleiben will. Dafür können sich Schröder und Blair an der gemeinsamen Erkenntnis freuen, dass der "Dritte Weg" anfängt, seine Minister zu fressen. Den zahlreichen Rücktritten im Kabinett des Kanzlers steht ein gleich zweifacher Rücktritt ein- und desselben Blair-Vertrauten gegenüber. Interessant ist dabei, dass der britische Nordirland-Minister Peter Mandelson nicht wegen seiner dunklen Machenschaften zurücktreten musste, sondern weil er versucht hatte, sie zu vertuschen. Dieser Medien-Logik folgen inzwischen alle Skandale in der schönen neuen Welt zwischen Neuer Mitte und Drittem Weg: Wenn Du etwas zu erklären oder zurechtzurücken hast, dann tue es möglichst sofort. So watch out, Mister Trittin and Mister Fischer!

Das ist also der gemeinsame Nenner, auf den sich die sozialdemokratischen Projekte in London und Berlin bringen lassen - Krisenmanagement. Im einen Fall wenige Monate vor den Wahlen, im anderen Fall zwei Jahre vorher, und in beiden Fällen unter den Augen einer misstrauisch gewordenen Öffentlichkeit.

Sicher hat die Vergangenheits-Krämerei der Minister Fischer und Trittin wenig mit praktischer Politik zu tun. Aber das verschärfte Augenmerk der Bevölkerungen in Deutschland und Großbritannien trägt auch viel zur Klarstellung eines Anfangsfehlers der Regierungschefs Schröder und Blair bei: Den Wählern ist es nicht so wichtig, ob sie nun vom "Dritten Weg" regiert werden oder von der "Neuen Mitte". Sie wollen dafür aber glaubwürdige Minister. Oder Eisenbahnen, die pünktlich sind. Oder BSE-freies Fleisch.

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