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Eine europäisch-türkische Lösung ist wichtig, reicht aber nicht.

© dpa

EU und Flüchtlinge: Die Lösung liegt nicht in Europa

EU-Gipfel: In der Flüchtlingskrise ist die Zeit für einfache Antworten längst vorbei. Ein Kommentar

Für Menschen, die auf hochkomplexe Situationen einfache Antworten fordern, sind das herrliche Tage und Wochen. Deshalb hört man so viel von ihnen, laut und drängend. Angela Merkel muss die Flüchtlingswelle stoppen, lautet ihr Mantra, als sei die Kanzlerin Herrscherin der Gezeiten und könne deshalb mal kurz und knapp „Ebbe“ anordnen. Aber so funktioniert die globalisierte Welt nicht, und deshalb kann sie die verlangte Antwort, sozusagen die Vollzugsmitteilung, auch in ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag nicht geben.

Trägt der europäisch-türkische Ansatz, oder schließen wir die Grenzen? Das ist die Alternative, die sie bietet. Viel ist das nicht, nicht nur in den Ohren ihrer Kritiker, sondern auch in denen der Koalitionsabgeordneten. Dass die von Merkel erhoffte Kontingentlösung nicht kommen wird, nachdem sich schon die Verteilung von 160 000 Flüchtlingen auf 28 Länder als unlösbare Aufgabe erwies, ist auch das Ende einer anderen Hoffnung auf gemeinschaftliches Handeln – hatte die Bundeskanzlerin doch eine Zeit lang angenommen, es gebe in der EU eine nicht kleine Gruppe williger Staaten, die anteilig Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten Syriens und des Irak aufnehmen würden. Sie tun es nicht, weiß man jetzt, verweigern sich mit teils nachvollziehbaren, teils fadenscheinigen Gründen.

Man muss es so brutal sagen: Solange die Dublin-Regelung funktionierte, also die Vereinbarung, wonach ein Flüchtling im ersten sicheren Land, das er betritt, um Asyl nachsuchen muss, haben sich Länder wie Österreich, Deutschland und die Balkanstaaten einen schlanken Fuß machen können: Italien und Griechenland trugen die Hauptlast, denn in ihren Hoheitsgewässern strandeten die Seelenverkäufer der Schlepper. Länder wie die Visegradstaaten unter Führung Ungarns und Tschechiens wollen ja mit dem Bau weiterer Zäune und Sperranlagen nichts anderes erreichen, als dass die Flüchtlinge wieder nur dorthin kommen.

Die Türkei ist ein schwieriger Partner

Der europäisch-türkische Ansatz: So nennt die Regierungschefin den Versuch, die Regierung in Ankara mit Milliardenzahlungen, Visaerleichterungen und der EU-Beitrittsperspektive dazu zu bringen, Flüchtlinge in der Türkei so unterzubringen, dass sie nicht mehr weiter gen Europa ziehen. Das mag funktionieren, ist jedoch in mancherlei Beziehung ein ziemlicher Brocken Realpolitik. Das Reich Recep Tayyip Erdogans ist wegen der autokratischen Attitüde des Staatsoberhauptes ein überaus schwieriger Partner.

Deshalb ist eine andere Option, die die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung erwähnte, mittelfristig noch wichtiger: die Stärkung der Syrien-Anrainerstaaten Libanon und Jordanien. Ohne jeden prahlerischen Unterton verwies Merkel darauf, dass die Londoner Geberkonferenz (unter ihrer maßgeblichen Beteiligung) für Hilfsmaßnahmen in dieser Region die höchsten Mittelzusagen erbrachte, die es jemals bei einer solchen UN-Veranstaltung gegeben hat. Wenn Deutschland, wenn die EU schon kaum Einfluss auf den Friedensprozess in Syrien haben, können sie doch alles tun, dass die Menschen in der Region bleiben und ihr Geld nicht Schleppern in den Rachen werfen.

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