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Genossen Gregor Gysi (links), Oskar Lafontaine

© dpa

Der Zank zwischen Linke und SPD: Beleidigend, zurückweisend, festgefahren

Entspannung zwischen Linken und SPD? Im Gegenteil: Der Zank wird heftiger. Die linke Wahlkampflinie steht fest: beleidigt sein. Zugleich werden alle Offerten an SPD und Grüne zur Zusammenarbeit rüde zurückgewiesen. Machtpolitisch ist die Linke in der Sackgasse.

Von Matthias Meisner

Vor ein paar Tagen ermahnte Gregor Gysi seinen ehemaligen Mitstreiter Oskar Lafontaine, sich nur noch dosiert einzumischen. Der Fraktionsvorsitzende empfahl dem Ex-Chef von Linken und zuvor der SPD sich an Genossen im Ruhestand zu orientieren. „Ich erinnere mich, dass ältere hervorragende Mitglieder der SPD in den Wahlkampf eingriffen. Das hatte immer Wert, auch wenn sie selber nicht kandidierten.“

Überliefert ist nicht, ob Gysi mit seiner Bemerkung an Egon Bahr, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder oder Kurt Beck gedacht hat. Sicher ist allerdings, dass er Lafontaine nur noch eine historische Rolle zubilligt. Lafontaines maßgebliches Verdienst soll es demnach sein, dass die Linke heute ihren bundesweiten Anspruch auf Repräsentation nicht nur erhebe, sondern auch umsetze, dass sie in der Parteienlandschaft weder unter- noch wegzukriegen sei.

Und hat nicht Lafontaine sogar auf Gysi gehört? Seit Gründung der Linken vor sechs Jahren hat es das jedenfalls noch nicht gegeben: ein Parteitag, auf dem sich Lafontaine nicht zu Wort meldete. Seine Interventionen am Wochenende beschränkten sich auf Interviews am Rande. Und die zuvor von ihm angezettelte Diskussion über die Zukunft des Euro brachte die Linke nicht ins Wanken. Auch Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht, zur Lautsprecherin von Lafontaine geworden, verzichtete in Dresden aufs Zündeln.

Das Argument, dass sich unter fortdauerndem Lafontaine-Einfluss nichts entspannen kann im Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei, mag also entfallen sein. Von Entspannungspolitik kann zwischen beiden Parteien jedoch nicht die Rede sein, im Gegenteil. Die zerstrittenen Geschwister zanken sich heftig – auch wenn Gysi und Genossen eigentlich die Türen offen halten möchten für ein Linksbündnis, wenigstens perspektivisch für 2017. Von Gysis Rede in Dresden blieb die Forderung hängen, dass die Sozialdemokraten endlich bereit sein müssten, sich für die Agenda 2010 zu entschuldigen. Bewegen müsse sich die SPD, „und zwar gewaltig“.

Das bleibt die linke Wahlkampflinie – beleidigt zu sein, weil alle Offerten an SPD und Grüne zur Zusammenarbeit rüde zurückgewiesen werden. Machtpolitisch ist die Linke in der Sackgasse. Ihre Gegenwehr wirkt hilflos. „Immer wenn du denkst, es geht nicht schlimmer, der Peer, der schafft es immer“ – mit dieser Form des Kanzlerkandidaten-Bashing hat Parteichef Bernd Riexinger nur Büttenredner-Qualität belegt.

Im Jahr 1998 fädelten Gysi und der damalige SPD-Chef Lafontaine in Mecklenburg-Vorpommern die erste rot-rote Koalition auf Landesebene ein. Es sind Lockerungsübungen aus fast vergessener Zeit. Heute hat sich die SPD darauf verlegt, die Linke überflüssig zu machen, erst einmal im Westen, mittelfristig aber in ganz Deutschland.

Das schien auch eine Weile lang zu klappen: In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein flog die Linke aus den Landtagen. Am 22. September jedoch wird die sozialdemokratische Rechnung nicht mehr aufgehen. Die Linke wird, wenn auch geschwächt, wohl wieder im Bundestag landen, Rot-Grün dürfte die eigenständige Mehrheit auch deshalb verfehlen. Den Regierungswilligen in den Reihen der Linken – auch Sahra Wagenknecht rechnet sich neuerdings dazu – nutzt das gar nichts. Die Öffnung nach links ist die einzige Regierungsoption, die sich die SPD selbst klipp und klar verbaut hat.

Ein strategischer Fehler? Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück sind schon gut beschäftigt mit dem Streit um die Schuld an der drohenden SPD-Niederlage. Aber sie denken nicht mal im Hinterzimmer daran, Fehler einzugestehen im Umgang mit der Linken.

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