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Meinung: Bushs neue Liebe zum Realismus

Amerikas Neokonservative sind durch Irak geschwächt, doch Hollywood liebt Wiederholungen/ Von Jacob Heilbrunn

POSITIONEN

Es ist eine oft getestete, also wahre Formel für HollywoodRomanzen. Die eitle Schöne verführt den Helden, der blind ist für ihre Charakterschwächen. Dann, in einem dramatischen Augenblick, beginnt der Lack zu bröckeln, die hässliche Seele wird entblößt, und der Held sieht die wahre Schönheit – die vernachlässigte Frau, die ihren Mut und ihre Charakterstärke beweist.

Ungefähr dieses Szenario spielt sich gerade in der Bush-Regierung ab. In dem Maße, in dem Bush sich wieder den UN und der Nato zuwendet, kühlt seine Affäre mit den Neokonservativen ab und erleben vorsichtige Realisten wie Außenminister Colin Powell ein Comeback. Die Neokonservativen erleben nun, was damals im Vietnamkrieg selbst klügsten Köpfen passierte: Sie überziehen und werden Opfer ihrer eigenen Überheblichkeit. Ihre Zeit geht zu Ende – zumindest vorläufig.

Die Bush-Regierungen, die des Vaters wie die des Sohnes, waren immer gespalten durch die Auseinandersetzungen zwischen Realisten und Neokonservativen. Der erste Bush war ein Realist. Er wollte sich nicht militärisch auf dem Balkan engagieren und weigerte sich, nach Bagdad zu marschieren. Seitdem war er der Feind der Neokonservativen, sie griffen ihn als Schwächling an. Bushs Sohn ist anders „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“, könnte sein Motto sein. Als Präsident war er pro-israelisch und bereit, militärisch in die Offensive zu gehen. Aber während seines Wahlkampfes im Jahr 2000 verkündete Bush realistische Prinzipien. Er sprach von Amerikas Pflicht, „bescheiden" zu sein. Die USA sollten mit ihren militärischen Ressourcen haushalten. Dann kam der 11. September. Bush wandte sich den Neokonservativen zu, sie statteten ihn mit einer intellektuellen Marschroute aus, die präventive Militärschläge rechtfertigt, wo immer und wann immer es galt, die Demokratie zu fördern.

Nun gibt es nichts, was die Republikanische Partei und insbesondere ihre Kongressabgeordneten und Senatoren mehr fürchten als die Aussicht auf einen Altweibersommer und Herbst, in dem amerikanische Soldaten getötet werden, während das Präsidentschaftsrennen an Fahrt gewinnt. Howard Deans Kampagne wird davon angetrieben, dass er der einzige unter den demokratischen Präsidentschaftskandidaten war, der den Irakkrieg ablehnte. Die anderen taten, was Politiker meistens tun: Sie wichen aus, oder sie unterstützten den Krieg. Davon sollte sich aber niemand beirren lassen. Die Wahl ist noch nicht entschieden.

Wie Gerhard Schröder ist Bush im Grunde ein Opportunist. Er wendet sich an die UN und die Nato, um sich aus einem möglichen Desaster zu befreien. Er kann die Niederlage abwenden, wenn er die Lage in nächster Zeit zum Guten wendet. Und so wird er nicht dem Rat der neokonservativen Falken folgen, die voraussagt hatten, Amerika werde in Bagdad mit Blumen begrüßt – und nicht mit Bomben. Er wird sich an Realisten halten wie Brent Scowcroft, der unter Bush senior Nationaler Sicherheitsberater war. Seine düsteren Vorhersagen haben sich bestätigt.

Die Realisten sind zurück – das heißt auch: Vorerst sind keine weiteren militärischen Abenteuer geplant. So lange Bush sich nicht langweilt und dazu verführen lässt, wieder ein Risiko einzugehen. Man vergesse nicht: Hollywood liebt Fortsetzungen.

Der Autor ist Leitartikler der „Los Angeles Times". Foto: Kai-Uwe Heinrich

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