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Klare Ansage: Vor dem britischen Unterhaus werben Sympathisanten für die Anerkennung eines palästinensischen Staates.

© AFP

Briten votieren für Palästinenserstaat: Alarmsignal für Israel

Das britische Unterhaus hat sich für die Anerkennung Palästinas ausgesprochen. Doch auch Mahmud Abbas weiß, dass ohne Israel kein Staat zu machen ist. Dennoch ist die Regierung in Jerusalem gefordert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Mahmud Abbas wird dem Labour-Abgeordneten Grahame Morris sicherlich dankbar sein. Denn dessen Antrag, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, ist das britische Unterhaus jetzt gefolgt. Der Chef der Autonomiebehörde in Ramallah kann sich über einen diplomatischen Prestigeerfolg freuen - das Parlament eines Mitglieds des Weltsicherheitsrats setzt sich für die "palästinensische Sache" ein. So kann es aus Sicht des Palästinenserpräsidenten gern weitergehen. Hauptsache, der internationale Druck auf Israel nimmt zu.

Dabei verschweigt Abbas wohlweislich, dass die Regierung in London dem Votum der Parlamentarier derzeit nicht folgen wird. Zudem muss er sich völlig darüber im Klaren sein: Ohne die Zustimmung der Regierung in Jerusalem ist kein eigener Staat zu machen. Das wiederum funktioniert nicht ohne eine Vereinbarung, die den Vorstellungen beider Seiten zumindest ansatzweise gerecht wird.

Für eine derartige Übereinkunft braucht es allerdings zunächst vernünftige, sprich: konstruktive Verhandlungen. Insofern weist Jerusalem zu Recht darauf hin, eine verfrühte internationale Anerkennung sende die irreführende Botschaft an die palästinensische Führung, sie könnte sich vor unangenehmen Zugeständnissen drücken.

Doch das Gleiche gilt für Israel. Auch die Regierung von Benjamin Netanjahu kann nicht unbegrenzt auf Zeit setzen. Die Weltgemeinschaft erwartet von ihm wie von Abbas Kompromissbereitschaft. Nur: Die Mehrheit der Staaten zeigt derzeit sehr wenig Verständnis für Jerusalems Verzögerungstaktik und noch weniger für den fortgesetzten Siedlungsbau in den besetzten Gebieten.

Netanjahu muss in die Offensive gehen

Dass die Palästinenser einen Anspruch auf einen eigenen Staat haben, steht dagegen außer Zweifel. Auf die Anerkennungs-Abstimmung in Großbritannien werden folgerichtig noch weitere in anderen Ländern folgen. Und mit jedem Votum gerät Jerusalem mehr in Bedrängnis. Noch stellen sich die USA und Deutschland schützend vor Israel, lehnen mit plausiblen Argumenten "einseitige Maßnahmen" ab. Aber bei beiden engen Verbündeten des jüdischen Staats schwindet der Wille dazu von Tag zu Tag. Israels Isolation droht größer zu werden, wenn dies überhaupt noch möglich ist.

Aus dieser Sackgasse kann es nur einen Ausweg geben: Benjamin Netanjahu muss ungeachtet eigener Bedenken und des Widerstands im Kabinett in die Offensive gehen. Es braucht einen diplomatischen Vorstoß, den weder die Palästinenser noch die Weltöffentlichkeit ohne weiteres vom Tisch wischen können. Ein Angebot, dass niemand ausschlagen kann, der wirklich guten willens ist.

Wie wäre es zum Beispiel damit, kurzfristig palästinensische Gefangene freizulassen? Gewissermaßen als vertrauensbildende Maßnahme. Oder man stoppt tatsächlich den Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland. Solche Schritte könnten Israel diplomatisch Luft verschaffen – und die Palästinenser nötigen, ebenfalls endlich mal ein substanzielles Angebot zu unterbreiten anstatt immer mit dem ausgestreckten Finger auf den Kontrahenten zu zeigen.

Hält die Regierung in Jerusalem dagegen an ihrem bisherigen Kurs fest, so gut begründet er auch sein mag, werden noch viel mehr Länder Palästina als eigenen Staat anerkennen. Alles andere als angenehme Aussichten für Israel, das ohnehin in der Region einen schweren Stand hat. Jetzt zieht in Gestalt des "Islamischen Staats" auch noch ein weiterer bedrohlicher Sturm auf. Einer, der das Zeug hat, den gesamten Nahen Osten aus den Angeln zu heben. Israel sollte sich wappnen und an einer Front Ruhe schaffen. Im eigenen Interesse.

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