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BND-Affäre: Unter Dauerverdacht

Der BND muss mit allerlei anrüchigen Personen Umgang Pflegen. Seien es rechtsextreme, linksextreme, islamistische oder sonst wie abgedriftete V-Leute. Nun hat der Geheimdienst eine Journalistin abgehört. Das ist ein Fehler, aber kein Rücktrittsgrund. Ein Kommentar von Frank Jansen

Beginnen wir mal mit einer Provokation an die Adresse der eigenen Zunft. Kein Journalist, abgesehen vielleicht von ein paar sehr selbstbewussten Kollegen, möchte mit dem Chef eines Nachrichtendienstes tauschen. Dann müsste man all das verantworten, was sich aus der Distanz des Betrachters mit lustvoll anschwellender Empörung kritisieren lässt: Den anrüchigen Umgang mit rechtsextremen, linksextremen, islamistischen oder sonst wie abgedrifteten V-Leuten. Die Lauschangriffe auf Telefonate, die ein Fanatiker mit einem unbescholtenen Bürger führt, der aber auch in einem Überwachungsprotokoll landet. Und ganz schlimm: Den, wie es Geheimdienstler nennen, „zufälligen Beifang“ eines Journalisten, wenn er mit Extremisten kommuniziert, die unter Beobachtung stehen. Kommt soetwas raus, ist medialer Endzeit-Furor gewiss.

Der aber auch fällig ist, wenn die Nachrichtendienste einen Terrorverdächtigen aus den Augen verlieren. Weil die Intensität der Überwachung womöglich nachgelassen hatte und nun ein Irrer unbeobachtet Anschläge vorbereiten kann. Da würde vermutlich rasch die Forderung laut, der Chef des schlampig arbeitenden Nachrichtendienstes müsse nun endlich einem fähigen Nachfolger Platz machen. Aber wehe, der Neue würde sich dann einen „Beifang“ leisten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Jedem Journalisten ist die Vorstellung unerträglich, die Sicherheitsbehörden würden seine Telefonate abhören, Briefe öffnen und E-Mails mitlesen. Die Medien müssen sich darauf verlassen können, recherchieren zu können, ohne vorsätzlich beobachtet zu werden. Erst recht bei brisanten Geschichten. Dass der BND E-Mails der „Spiegel“-Reporterin Susanne Koelbl an einen afghanischen Politiker mitgelesen hat, ist ein Fehler. Dass der Nachrichtendienst den E-Mail-Account des Ministers überwachte, weil es offenbar Anlass zum Verdacht auf Verbindungen zu den Taliban gab, gehört zum notwendigen Handwerk. Im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik und vor allem ihrer Soldaten in Afghanistan.

Ernst Uhrlau hat sich entschuldigt und zwei Tage dem Parlamentarischen Kontrollgremium Auskunft erteilt. Man kann fragen, ob das reicht, und warum der BND-Chef offenbar erst spät erfuhr, dass eine Abteilung einem „Beifang“ allzu nahe trat. Die Situation ist für Uhrlau auch peinlich, weil der Fall Koelbl auf die alte Affäre um Bespitzelung von Journalisten folgt, die der BND-Chef selbst verurteilt hat. Aber seinen Rücktritt zu verlangen, erscheint überzogen – solange Uhrlau garantieren kann, dass die Affäre nicht ausufert.

Das alleine wird aber nicht reichen, um den BND aus dem Dauerverdacht herauszulösen, gerne mal die Grenzen des Erlaubten zu übertreten. Uhrlau hat einen Spagat zu leisten: den Ruf des BND zu verbessern und einer leicht erregbaren Öffentlichkeit zu erklären, dass ein Geheimdienst in Grauzonen agieren muss. Wie übrigens auch manchmal Journalisten, selbst wenn sie niemals BND-Chef werden wollen.

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