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Berlin: Abgeräumt, plattgemacht, weggepustet

Kein Stein blieb auf dem anderen. Drei Jahre lang schlugen die Bagger ihre Zähne in den Beton, das Hämmern der Bohrmeißel mischte sich mittags um zwölf mit dem Geläut der Glocken hoch vom Dom. Nun ist er weg, der Palast der Republik – ein kleiner Nachruf ist fällig

Kein Stein blieb auf dem anderen. Drei Jahre lang schlugen die Bagger ihre Zähne in den Beton, das Hämmern der Bohrmeißel mischte sich mittags um zwölf mit dem Geläut der Glocken hoch vom Dom. Selbst der langsame Tod vom Palast der Republik mit seinen rostbraunen Stahlträgern, durch die der Wind ging, war noch eine Attraktion für ungezählte Fotoapparate. Agonie – cool, krass und geil. Nun ist es auch damit vorbei. Abgeräumt, plattgemacht, weggepustet.

Am Anfang war die Skepsis. Müssen wir denn alles kopieren? fragten die Leute und dachten an den Moskauer Kreml-Palast. Die Sachsensprache brachte die ganze Angelegenheit ohnehin auf den Punkt: Ballast der Republik. Die Berliner kriegen alles, und bei uns fallen die Häuser ein. Die Großbaustelle des Sozialismus im Herzen Berlins gebar schließlich auch Neugier auf das, was in knapp drei Jahren entstand, koste es, was es wolle (eine Milliarde Mark und etliche Devisen, ausgerechnet auch für den verhängnisvollen Spritzasbest, sollen es gewesen sein).

Dann die Eröffnung mit allem Drum und Dran, mit Orden für die wackeren Erbauer und mit „Westkünstlern“ wie Katja Ebstein, Tony Christie, Juliette Greco. Ihnen sollten andere folgen: Für Loriot haben wir uns ab sechs Uhr früh die Beine in den Bauch gestanden, bei Carlos Santana vibrierte das gelbe Sessel-Parkett im Großen Saal, Milva füllte das Haus, Udo Lindenberg sowieso, und als sich Günter Grass im kleinen Palast-Theater über die Stasi lustig machte, da ahnten wir, dass etwas passieren würde. Es war 1989, das Schicksalsjahr, als die Menge im Oktober nach „Gorbi!“ rief, der hinter den goldbraun getönten Scheiben des Kulturtankers saß und ahnte, dass die DDR mit diesem altbackenen Führungspersonal, das ihm da zuprostete, auf Grund laufen würde.

Der Palast war unschuldig, äußerlich langweilig, innen lebendig, ein ICC des Ostens. Wenn die Volkskammer tagte oder ein Parteitag stattfand, war der Laden geschlossen, aber das kam selten vor, viel öfter strömten die Leute zu den Lustbarkeiten, und wen immer man fragt, der hat seine kleine Palast-Erinnerung. Einen geklauten Löffel mit dem verschlungenen „PdR“, den Blick vom Restaurant zum Dom. Das Bowling-Zentrum. Die einzigen frischen Blumen, die es weit und breit gab. Barsches Personal mit strengem Blick. Telefone, mit denen man schneller als sonst in den Westen kam. Und dann, 1990, am 18. März, die erste freie Wahl. Der Palast als Pressezentrum, Lothar de Maizière der verblüffte Sieger. Schließlich die spontane Flucht vor Asbest. Das Ende (Vorher haben sie noch die deutsche Einheit beschlossen).

Walter Ulbricht ließ ein vom Kriege beschädigtes Schloss sprengen, 58 Jahre später wird ein Gebäude abgerissen, in dem manche den Rest kommunistischer Herrschaft sahen. Sie können frohlocken und nun ihr Schloss bauen. Schneller wäre es mit einem neuen Palast im alten gegangen: schicke Fassaden, modernisiertes Innenleben. Billiger, technisch machbar, politisch allemal.

Friede seiner Asche.

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