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Meinung: Balkan: Hausbau ohne Fundament

Hat der Westen auf dem Balkan versagt? Und ist er wieder dabei, zu versagen?

Hat der Westen auf dem Balkan versagt? Und ist er wieder dabei, zu versagen? Mazedoniens Regierungschef Georgievski hat den Vorschlag der Nato und der EU für einen Verfassungskompromiss mit der albanischen Minderheit abgelehnt. Das wirkt wie eine schallende Ohrfeige für alle Vermittlungsbemühungen. Die USA und die EU sind vorerst mit dem Versuch gescheitert, eine Friedensordnung herbeizuverhandeln.

Der Westen müsse mehr tun auf dem Balkan, fordert der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers. Nicht nur das Klein-klein um Waffenabgabe, Sprachrechte, Autonomie-Details - er fordert nichts Geringeres als eine EU für den Südosten Europas. Sie soll dem Balkan endlich Stabilität bringen. Lamers vermisst ein Gesamtkonzept des Westens auf dem Balkan.

Nur: Warum sollte ausgerechnet ein supranationales Gebilde wie die EU für einen Ausgleich der ethnischen Gegensätze sorgen? Die Idee einer Südost-EU erscheint verlockend. Tragfähig ist sie aber nicht.

Es brennt, ruft Lamers - und rufen mit ihm der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Hintze, und der entwicklungspolitische Sprecher Klaus-Jürgen Hedrich. Genauer: Wenn der Westen nicht aufpasse, brenne es bald wieder auf dem Balkan. Ende des Jahres werden die Kosovo-Albaner ein Parlament wählen und sich endgültig von Belgrad lossagen wollen. Und dann? Die Serben im Kosovo werden dann wieder auf die serbische "Mutternation" schielen, gleichzeitig erhalte für viele Albaner der Traum eines "Groß-Albanien" neue Nahrung. Die Völker auf dem Balkan, sagt Lamers völlig zu Recht, sind noch nicht im post-nationalen Zeitalter angekommen. Dennoch schlägt er eine Südost-EU vor - mit den aus Jugoslawien hervorgegangenen Staaten sowie Albanien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Griechenland als Mitgliedern. Gerade weil der Post-Nationalismus in der Region noch nicht sehr verbreitet ist, dürfte die Idee einer Südost-EU in Skopje, Pristina oder Belgrad als Zumutung empfunden werden.

Der Stabilitätspakt der EU zum Aufbau der Infrastruktur in Südosteuropa sei zu wenig, argumentiert Lamers. Ehrlicherweise muss man hinzufügen: Ein Gebilde nach dem Vorbild der Europäischen Union mit Freihandelszone, wirtschaftlicher Kooperation, gemeinsamem Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität und einem eigenen Gerichtshof - das wäre zu viel. Noch nicht einmal in der echten EU haben sich die Bürger daran gewöhnt, dass "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" als logische Folge zur Aufgabe der Souveränität gehört - Einmischung in die Wettbewerbspolitik, den Agrarbereich, die Währungspolitik und neuerdings in die klassische Außenpolitik.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Westeuropa vor einem Trümmerhaufen, wie heute der Balkan. Die heutigen EU-Länder brauchten vier Jahrzehnte, um die alleinige Orientierung auf den Nationalstaat zu überwinden. Können sie ihre Erfahrungen für den Südosten Europas nutzbar machen? Leider stimmt die geschichtliche Parallele nicht: Deutschland (notgedrungen), Frankreich, die Benelux-Staaten und all die anderen, die später noch folgten, ließen sich nach 1945 mehr oder weniger bereitwillig auf den Post-Nationalismus ein.

Ganz anders der Balkan heute. Die Lage in Bosnien und Kosovo sowie das vorläufige Scheitern der Friedensgespräche in Mazedonien zeigen, wie schwer den Balkan-Staaten der Interessenausgleich zwischen Mehrheit und Minderheit innerhalb der eigenen Grenzen fällt. Schwer vorstellbar, dass die Völker in dieser Situation den zweiten Schritt vor dem ersten tun: Souveränität aufzugeben und den benachbarten Serben, Albanern, Kroaten oder Slowenen ein Mitspracherecht in den gemeinsamen Angelegenheiten einzuräumen. Die Uhren auf dem Balkan ticken leider nicht nach EU-Norm.

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