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Meinung: Als Berlin führend in Sachen Freiheit war

Warum der Luftbrückentag am 12. Mai mehr als ein historisches Datum ist / Von Helmut Trotnow

Alljährlich, am 12. Mai, wird in Berlin an die Luftbrücke erinnert. Zu Zeiten der deutschen Teilung war dies ein wichtiges Datum im Westteil der Stadt. Alles, was Rang und Namen hatte, angefangen von den militärischen und zivilen Vertretern der Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich bis hin zum Berliner Senat und weiten Teilen der Bevölkerung, versammelte sich am Luftbrückendenkmal in Tempelhof, um das Ereignis zu würdigen und seiner Opfer zu gedenken. Die Namen der 31 Amerikaner, 39 Briten und von acht Deutschen sind im Sockel des Denkmals verewigt.

Mit der deutschen Einheit im Oktober 1990 und dem Abzug der westlichen Truppen vier Jahre später wurde es still um dieses Datum. Die Spuren der Vergangenheit verblassen. Eigentlich ist dies auch gut so. Eine Stadt mit der vielfältigen Geschichte von Berlin kann nicht rückwärts gewandt leben. Die Lehren dieser Geschichte zu vergessen, wäre jedoch töricht. Erst im Rückblick verstehen wir wirklich die Gegenwart. Mit den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion, dessen Nachfolge Russland angetreten hat, waren neben Deutschland all jene Staaten an diesem Ereignis beteiligt, die auch heute eine Hauptrolle in den europäischen und atlantischen Beziehungen spielen.

Wie war es zu dieser Luftbrücke gekommen und warum? Ironischerweise hat der 12. Mai mit der Aktion direkt gar nichts zu tun. Sie begann Ende Juni 1948 und endete Anfang Oktober 1949. Demnächst feiern wir also den 55. Jahrestag des Beginns der Luftbrücke.

Das MaiDatum erklärt sich aus der Vorgeschichte und führt zurück in das Jahr 1945. Am Ende des Zweiten Weltkrieges hatten sich die vier Siegermächte darauf verständigt, das nationalsozialistische Deutschland in Besatzungszonen aufzuteilen. Berlin als Reichshauptstadt wurde ebenfalls in vier Sektoren geteilt. Beim Wiederaufbau Deutschlands kam es zum Streit, und in Berlin wurde dieser Streit ausgetragen. Die Westmächte mit den USA an der Spitze sahen in den Grundwerten Freiheit und Demokratie die Richtschnur ihres Handelns.

Die kommunistische Sowjetunion dagegen lehnte es ab, diese Werte in ihrem Machtbereich zu respektieren. Stalin suchte die Westmächte aus der Stadt zu drängen, um klare Verhältnisse in seinem Sinne zu schaffen. Alles sprach für ihn. Berlin lag mitten in der sowjetischen Zone, und mit Ausnahme des Luftweges war der Zugang für die Westmächte nicht geregelt worden. Die Bevölkerung von gut zwei Millionen Menschen aus der Luft zu versorgen, schien utopisch. Es gab nicht genügend Flugzeuge in Europa, und die Flugmannschaften waren bei Kriegsende nach Hause geschickt worden. Darüber hinaus verfügte Berlin nicht einmal über Flughäfen mit asphaltierten Start- und Landebahnen; die galten aber als Voraussetzung für einen intensiven Lufttransport.

Die Blockade der Zugangswege traf die Westmächte und die von ihnen besetzten Deutschen hart und unvorbereitet. Doch die Regierungen in Washington, London und schließlich auch in Paris reagierten schnell und konsequent. Die Berliner Bevölkerung und die Deutschen in den Westzonen beteiligten sich, so gut sie konnten. Nicht zuletzt diese Gemeinsamkeit machte die Luftbrücke zu einem gigantischen Erfolg. Bei der „Osterparade" 1949 startete und landete jede Minute eine Maschine. Die Blockade war gebrochen, und Stalin hob sie am 12. Mai 1949 auf. Das Datum hat sich tief in die Berliner Annalen eingegraben.

Bis heute ist mit der Luftbrücke die Vorstellung verbunden, der Einsatz der Westmächte sei auf Sympathie oder gar Liebe für die Deutschen zurückzuführen. In diesem Zusammenhang steht auch die viel beschworene Forderung, den Westmächten für ihren Einsatz zu danken. Gewiss, die enormen Leistungen der USA und Großbritannien im Zusammenhang der Luftbrücke dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Junge Amerikaner und Briten starben, damit die Menschen in Berlin überlebten. Bei dem Konflikt war es jedoch allein um die Sicherung der Grundwerte Freiheit und Demokratie gegangen.

Die Deutschen auf westlicher Seite profitierten als erste davon bei der Gründung der Bundesrepublik. Die Ost-Deutschen dagegen mussten bis 1989 warten. Die Zeitgenossen haben das Erlebnis der Berliner Luftbrücke stets als Vermächtnis und Verpflichtung gesehen. „Wir dürfen damit rechnen", resümierte der „Vater der Luftbrücke", US-General Lucius D. Clay, „dass Berlin seine Freiheit nie wieder aufgibt, dass es vielmehr berufen ist, die Führung in einem neuen, der Sache der Freiheit gewidmeten Deutschland zu übernehmen."

Der Autor ist Direktor des Alliierten-Museums in Berlin. Foto: vision photos / Axel Kull

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