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Afghanistan: Die Probe aufs Bündnis

Wenn die Amerikaner oder Franzosen Deutschland jetzt scharf kritisieren, begleichen sie alte Rechnungen. Schon immer ist den Deutschen in Afghanistan vorgeworfen worden, sie seien feige. Aber es ist wohlfeil, den Deutschen vorzuwerfen, sie würden sich nicht an die neue Strategie halten, dem Schutz der Zivilisten oberste Priorität zu geben.

Es ist nicht der von der Bundeswehr veranlasste Luftangriff mit blutigen Folgen, sondern die gesamte Afghanistan-Frage, die das westliche Bündnis sprengen kann. Das ist die Dimension der Gefahr, die von den Taliban und ihrem Guerillakrieg am Hindukusch ausgeht. Notwendig ist es deshalb für alle Partner des Verteidigungsbündnisses, sich immer wieder zu vergewissern, warum die Nato in Afghanistan agiert und wie eine sinnvolle Strategie aussieht. Nicht sinnvoll, ja geradezu fahrlässig ist es angesichts dieser Dimension, sich selbst zu schwächen. Solidarität, in den Bündnissen wie im eigenen Land, ist das wichtigste Instrument im Kampf gegen Terroristen. Aber gerade jetzt, wo Einigkeit unter Partnern, ja Freunden, am nötigsten wäre, erleben wir mindestens den Anschein von zerfallender Solidarität – innen wie außen. Ginge das so weiter, spielte es denen in die Hände, die morden, unterdrücken und ein Regime aus Hass und Gewalt installieren wollen.

Wenn die wichtigsten Bündnispartner wie Amerikaner oder Franzosen Deutschland jetzt scharf kritisieren, begleichen sie alte Rechnungen. Schon immer ist den Deutschen in Afghanistan vorgeworfen worden, sie gingen nicht dorthin, wo es wirklich wehtut, und sie würden immer alles besser wissen, kurzum: Sie seien feige. Aber es ist wohlfeil, den Deutschen angesichts des Luftangriffs vorzuwerfen, sie würden sich nicht an die neue Strategie halten, dem Schutz der Zivilisten oberste Priorität zu geben. Die Amerikaner werden diesen Vorgang benutzen, um die Deutschen noch mehr in die Pflicht zu nehmen. Gerade weil sie wissen, dass die Deutschen schon lange gefordert haben, was die Nato nun unter US-Führung umsetzt. Die deutschen Kommandeure aber werden in Zukunft weiterhin in konkreten Situationen entscheiden: Sie müssen abwägen, ob etwa die Gefahr besteht, dass ein deutsches Bundeswehrlager mit hunderten Soldaten in die Luft gesprengt wird, oder ob bei einem präventiven, aus militärischer Sicht notwendigen Luftschlag Zivilisten in Gefahr geraten.

Zu dieser Realität muss die Politik eine Haltung finden und sie öffentlich vertreten – womit wir beim deutschen Verteidigungsminister wären. Franz Josef Jung hat versucht, eine rein administrative Haltung einzunehmen. Er hat einen bürokratischen Akt aus einem schrecklichen Vorfall gemacht, und er beharrt darauf, richtig gehandelt zu haben. Derselbe Mann, der gesagt hat, man müsse die Herzen der Afghanen gewinnen, braucht Tage, um überhaupt ein Wort des Bedauerns zu finden. Hier fehlt es an Haltung und an diplomatischem Können.

Noch weniger Haltung haben diejenigen, die den Vorfall nutzen, um einen Abzug zu fordern, und meinen, ein festes Datum dafür vorgeben zu können. Es ist zwar richtig, sich Ziele zu stecken und sich unter Druck zu setzen. Aber wir sind hier nicht in der Fußball-Bundesliga. Die Amerikaner haben erst von Abzug aus dem Irak gesprochen, als ihre Militärs zusicherten, sie würden die Lage in den Griff bekommen. Von einer solchen Analyse, mag sie gestimmt haben oder nicht, ist man in Afghanistan noch weit entfernt. Diskutieren, politisch um die Meinungshoheit kämpfen und klar sagen, was man will, muss die deutsche Politik aber trotzdem – gerade weil Wahlkampf ist. Auf die angekündigte Regierungserklärung der Kanzlerin darf man deshalb sehr gespannt sein, und vielleicht hört man in der Debatte dann auch den deutschen Außenminister.

Wer nicht weiß, warum er kämpft, der hat schon verloren.

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