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Mit 53 Jahren gestorben: der Schauspieler Andreas Schmidt.

© dpa

Zum Tod von Andreas Schmidt: Viel schnodderige Menschlichkeit

Ruhm erlangte er durch "Sommer vorm Balkon". Seine größte Rolle spielte er schon Jahre vorher. Nun ist Andreas Schmidt gestorben. Ein Nachruf.

Manchmal wusste man nicht, ob man seinen Figuren auch mal böse sein konnte. Dem unsympathischen Möchtegern-Macho wie dem aufbrausenden Lkw-Fahrer Ronald in Andreas Dresens Kino-Hit „Sommer vorm Balkon“ (2004) oder den Loosern wie Bandleader Gurki in der Heinz-Strunk-Verfilmung „Fleisch ist mein Gemüse“ (2008) verlieh Schauspieler Andreas Schmidt eine Nahbarkeit, eine Liebenswürdigkeit, vielleicht auch eine Würde, die tiefer ging. Diese Mischung aus Traurigkeit und Humor, Andreas Schmidt war einzigartig im deutschen Schauspielergewerbe.

Das mit der Nahbarkeit soll auch privat so gewesen sein, sagen Menschen, die ihn öfter sahen. Es schien jedenfalls keine Wand zu geben zwischen dem Schauspieler, dem Menschen und seinem Gegenüber, wie es öfters bei Begegnungen in der Schauspieler-Branche vorkommt. „Scham kenne ich gut“, hat er einmal, unvermittelt offen, dem Tagesspiegel anvertraut. So gut, wie sie eben einer kennt, der 1963 im Sauerland geboren wird, aber im Märkischen Viertel als Sohn eines Trinkers aufwächst und immer „Spargeltarzan“ gerufen wird.

Er habe sich als Junge ständig geschämt: „Für meine Segelohren, meine Nase, meine Dürrheit.“ Andreas Schmidt erinnerte sich nicht gern an seine Kindheit, auch das hat er dem Tagesspiegel gesagt. Es sei vorgekommen, dass die Miete nicht bezahlt war. Oder dass er nichts zu essen hatte. Früh hatte er lernen müssen, selbst für sich verantwortlich zu sein. Das habe den sehnigen Jungen stark gemacht. „Ich hatte ein Vorbild, wie ich nicht werden wollte, ich wollte aus der Situation raus, je schneller, desto besser.“

Da hilft – Rockmusik. Als Jugendlicher sang Schmidt bei der Rockband Lillies große Liebe. Er studierte zunächst Germanistik und Philosophie. Dann der starke Zug zum Theater. Diverse Schauspiel- und Regieseminare, Engagements von Mannheim bis Berlin, eigene Theaterstücke. Sein Kinodebüt hatte Schmidt 1987 in „Peng! Du bist tot!“. Regisseur Eoin Moore erkor den Langen zu seinem Lieblingsdarsteller. Der Bauarbeiter Alex in „plus-minus null“, einem Film über drei Außenseiter, die auf den Straßen Berlins ums Überleben kämpfen, Ende der 1990er, war sicher eine von Schmidts stärksten Rollen.

Viel Frösteln, viel Trostlosigkeit in einer Stadt des Umbruchs und gleichzeitig viel Wärme und schnodderige Menschlichkeit, wie sie nur Andreas Schmidt auf die Bühne und vor die Kamera bringen konnte, auch in „Tatort“-Episoden und dem „Polizeiruf“, als Brandenburger Bauer „Gänse-Schlunzke“ an der Seite von Horst Krause. Andreas Schmidt und Horst Krause, der Lange-Nervöse und der Gemütliche-Dicke – ein ziemlich unglaubliches und starkes Team.

"Den Romeo kriege ich selten angeboten"

Und so sahen sie dann auch meistens aus, die Typen, die Andreas Schmidt gespielt hat: seltsame Vögel. Außenseiter mit großer Klappe, Verlierer, Männer mit einem großen Herzen und einem kleinen Verstand. Eines war immer klar: Wenn Andreas Schmidt in einem Film auftauchte, kam Leben in die Bude. Langweilig war das nie. Für Andreas Schmidt war jede Rolle eine Hauptrolle.

Dass ihm seine Physiognomie, diese nervöse Zappeligkeit, die er vermitteln konnte, bei manchem Rollenwunsch in die Quere kam, das hat den segelohrigen Schlacks nicht gestört. Früher wollte er ein durchtrainierter Kerl sein, sagte er, aber inzwischen ginge ihm das „echt am Arsch“ vorbei. Ob es ihm Rollen verbaut, ein dünner Hering zu sein? „Na ja, den Romeo kriege ich selten angeboten.“

Das ließ Andreas Schmidt Zeit für seine zweite Leidenschaft neben der Schauspielerei: dem Regieführen. Zum Beispiel in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm, wo er 2009 das Stück „4 nach 40“ mit Nina Hoger auf die Bühne brachte. Es handelte von vier 40-Jährigen, die sich nicht kennen und in einem Lift stecken bleiben. 2014 spielte er dort in der Tragikomödie „Fettes Schwein“ nach 15 Jahren Film und Fernsehen auch wieder selber Theater, über einen Werbefuzzi, der sich in die witzige, aber adipöse Bibliothekarin Helen verliebt.

Den Schauspieler Andreas Schmidt glaubte man zu kennen. Das Wort Aufrichtigkeit ist etwas aus der Mode gekommen, zur Beschreibung von Andreas Schmidt scheint es zutreffend. Seine letzte Kino-Arbeit 2016: an der Seite von Axel Prahl tatsächlich eine nicht ganz so sympathische Figur im Kinderfilm „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“. Schmidt spielte den Belial, den Gehilfen des fiesen Baron Lefuet.

Irgendwie passt das mit dem Kinderfilm. Wie gesagt, böse konnte man seinen Figuren nicht sein. Und dem gänzlich uneitlen Menschen auch nicht. Andreas Schmidt starb im Alter von nur 53 Jahren nach längerer Krankheit am Donnerstag in Berlin, wie seine Agentin am Freitag mitteilte. Schmidt hinterlässt eine Frau und einen neun Jahre alten Sohn.

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