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Zeitungkampagne in Großbritannien: Wie der "Guardian" zum Anwalt der Klimabewegung wurde

Der britische „Guardian“ wirbt offensiv für eine entschlossene Klimapolitik – von Investoren. Nun hat die Gates-Stiftung ihr Geld aus zwei Ölkonzernen zurückgezogen.

Ganz leise hat sich die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung von umfangreichen Investitionen in der Ölindustrie verabschiedet. Aus Meldungen der Stiftung an die amerikanische Investorenschutzbehörde (SEC) geht nach Recherchen des britischen „Guardian“ hervor, dass die Gates-Stiftung zwischen September und Dezember 2015 Anteile am Ölkonzern BP in Höhe von 187 Millionen Dollar verkauft hat. Schon zuvor hat sich die Stiftung von Exxon-Mobile-Anteilen in Höhe von 824 Millionen Dollar getrennt. Von den insgesamt investierten rund 40 Milliarden Dollar im Vermögen der Stiftung sind nach Einschätzung des „Guardian“ noch 200 Millionen Dollar in klimaschädliche Geschäfte investiert. Ein Erfolg, der womöglich auch mit dem „Guardian“ zu tun hat.

Im März 2015 begann der „Guardian“ damit, zwei seiner Geldgeber mit einer Kampagne unter Druck zu setzen. Die beiden größten Gesundheitsstiftungen der Welt, die Gates-Stiftung und der Wellcome-Trust, finanzieren in Teilen die Berichterstattung des Medienhauses zu Entwicklungsthemen. Die Stiftungen sollten ihre Investitionen aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie abziehen, verlangte der „Guardian“ gemeinsam mit den Aktivisten der Organisation 350.org. Um die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten, muss ein großer Teil der bereits bekannten Reserven fossiler Brennstoffe im Untergrund bleiben und darf nicht mehr verbrannt werden. Das hat der Weltklimarat (IPCC) in seinem jüngsten Bericht ausgerechnet.

Alan Rusbridger ist überzeugt vom Erfolg

Der damalige Chefredakteur Alan Rusbridger hatte den Anstoß für die „Keep it in the ground“-Kampagne der Zeitung gegeben. Zum Start hatte er gesagt: „Die übliche Regel für Zeitungskampagnen ist, dass man sie nur beginnt, wenn man sie gewinnen kann.“ Er sei aber sicher, dass diese Kampagne langfristig auf jeden Fall gewonnen werde. Schließlich könne man mit der Physik nicht diskutieren. Er hoffte damals, dass die Divestment-Debatte mit der „Guardian“-Kampagne den Weg in die Aufsichtsräte finden werde.

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Zunächst sah es nicht so aus. Bill Gates ließ wissen, dass er Divestment für eine „falsche Lösung“ halte. Wer nicht investiere, habe auch keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik. Der Wellcome-Trust hat im vergangenen Jahr sogar noch mehr Geld ins Kohle- und Ölgeschäft gesteckt. Beide haben jedoch zügig ihr Geld aus Exxon-Mobile abgezogen. Denn der Ölkonzern hat seit Jahrzehnten aus eigenen Forschungen gewusst, welche Wirkung die Verbrennung ihrer Förderprodukte auf das Klima haben. Dennoch hat der Konzern Jahrzehntelang Forscher dafür bezahlt, das glatte Gegenteil zu behaupten. Seit einigen Monaten wird in den USA gegen den Konzern ermittelt – auch wegen Täuschung ihrer Investoren. Das war beiden Stiftungen dann doch zu viel Reputationsschaden. Ob die Gates-Stiftung aus Überzeugung ihr Geld aus BP abgezogen hat, oder weil der Konzern Verluste macht, ist schwer zu sagen. Die Stiftung kommentiert ihre Geldanlagen nämlich prinzipiell nicht öffentlich. Das kanadische Beratungsunternehmen Corporate Knights hat jedenfalls bei einer Analyse des Portfolios beider Stiftungen ausgerechnet, dass sie mit ihren fossilen Geldanlagen bereits Millionen Dollar verloren hatten.

Die "Guardian"-Stiftung hat ihr Geld aus fossilen Geschäften abgezogen

Auf die Frage, ob der „Guardian“ das Gates-Divestment als Erfolg verbucht, antwortete der Leiter der „Guardian“-Umweltberichterstattung Damian Carrington via Twitter: „Wir wissen nicht, welche weiteren fossilen Investitionen sie halten. Also: Abwarten.“ Er hat die Kampagne mehrfach gegen Kritik von Kollegen aus anderen Ländern und gegen Kritik aus Großbritannien selbst verteidigt.

Den eigenen Eigentümer, die „Guardian“-Stiftung, haben die Redakteure jedenfalls überzeugt. Sie kündigte im vergangenen Herbst an, nicht mehr in klimazerstörerische Geschäfte zu investieren. Auch wenn Zeitungskampagnen in Großbritannien Tradition haben, ist die des „Guardian“ doch außergewöhnlich. Wegen des Klima-Themas, und weil das Verlagsunternehmen sie zeitlich nicht begrenzt hat. 236 000 Unterstützungsunterschriften und eine aus der Kampagne entstandene Unterstützergruppe im Staat Washington, dem Sitz der Gates-Stiftung, scheinen ihr recht zu geben. Dem „Guardian“ hat die Kampagne offenbar nicht geschadet.

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