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Über sein Verhältnis zu Wladimir Putin will Gerhard Schröder (li.) im ZDF-Proträt nicht mit Florian Huber reden. Freundschaften sollte man nicht öffentlich ausbreiten, sagt der Alt-Bundeskanzler.

© ZDF/Björn Lindenblatt

ZDF-Porträt von Gerhard Schröder: Zeit für Versöhnung

Ein ZDF-Porträt zeigt eine unbekannte Seite von Altkanzler Gerhard Schröder. Der neue SPD-Kanzlerkandidat bleibt als Thema dagegen weitgehend ausgespart.

Es scheint das Los von Alt-Bundeskanzlern zu sein, dass ihre Parteien nach dem Amtsende einige Zeit brauchen, bis sich das Verhältnis normalisiert. So erging es dem ewigen CDU-Kanzler Helmut Kohl, noch schwieriger scheint jedoch die Aussöhnung zwischen der SPD und Altkanzler Gerhard Schröder. Im Wahljahr 2017 ist der SPD-Politiker zwar als Manager, Schlichter und Redner wieder stärker gefragt, doch eine aktive Wahlkampfhilfe für den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz wünscht sich niemand von ihm, zeigt das TV-Porträt von Florian Huber, das am Dienstagabend im ZDF läuft.

Gerhard Schröder weiß noch immer sehr genau, worüber er reden möchte – und worüber nicht. In keinem Fall will er Martin Schulz Ratschläge geben. „Ich habe mich immer über Altvordere geärgert, die sich in Wahlkämpfe einmischen wollten, und habe mir gesagt, das machst du nicht“, sagt Schröder in einem Interview mit Huber und verspricht, sich an diese Regel zu halten. Es gelingt ihm auch, mit einer Ausnahme. Es geht um die Agenda 2010 und die umstrittenen Arbeitsmarktreformen, die die Gesellschaft bis heute gespalten haben. „Ich kann und will die Agenda-Politik nicht rückgängig machen“, sagt Schröder, der sehr gute Zustand Deutschlands in Europa sei ohne Zweifel ohne die Reformen nicht erreicht worden. „Und man muss aufpassen, dass das so bleibt“, sagt Schröder mit dem Brustton der Überzeugung in Martin Schulz’ Richtung.

Die Selbstsicherheit und das Ego, die den Mann aus dem lippischen Bergland aus ganz einfachen Verhältnissen bis ganz nach oben gebracht haben, ihm aber in der so genannten Elefantenrunde am Abend der verlorenen Bundestagswahl 2005 den wohl peinlichsten TV-Auftritt seiner Karriere bescherten, sie sind immer noch da. „Ich wollte immer eine Kultsendung im TV machen, das ist mir gelungen“, kann er heute darüber scherzen. Manche Weggefährten sehen das anders. „Unmöglich, machohaft , ohne jegliches Benehmen“, erinnert sich die SPD-Politikerin Renate Schmidt, die seinerzeit an Schröders Kabinettstisch saß.

Flotte Sprüche und andere Polit-Folklore

Viele Facetten der Persönlichkeit von Gerhard Schröder sind seit langem bekannt und bekommen im ZDF-Porträt den gebührenden Platz. Da ist der Zaun des Bundeskanzleramtes, an dem Schröder bereits zu Juso-Zeiten gerüttelt hat. Da ist sein Spitzname Acker, den er von seiner Fußball-Mannschaft bekam, weil er bei seinem Drang aufs gegnerische Tor alles und jeden umgepflügt hat. Da sind Schröders Hemdsärmeligkeit und Volksnähe, seine lockeren Sprüchen wie „Hol’ mir mal ne Flasche Bier“. All das, die Cohiba-Zigarren und Brioni-Anzüge, sein Ruf als „Genosse der Bosse“, sein merkwürdiges Verhältnis zu den Medien – „Zum Regieren brauche ich nur Bild, Bams und die Glotze“ – gehören zur Polit-Folklore jener Jahre.

Interessanter wäre es, die Zeit nach dem Ende der Kanzlerschaft genauer auszuleuchten, vor allem die Nähe zu Russland und seinem übermächtigen Herrscher Wladimir Putin. Nicht nur in seiner eigenen Partei kam es gar nicht gut an, als Schröder kurz nach Ende seiner Amtszeit als Kanzler den Aufsichtsratsvorsitz über das Nord-Stream-Pipelineprojekt übernahm. Dass er im Jahr 2016, also nach der russischen Annektion der Krim und der Intervention in Syrien, noch einen weiteren Job im Gazprom-Umfeld übernahm, hat das Unverständnis nochmals gesteigert. „An dieser Stelle verstehe ich ihn nicht“, sagt Renate Schmidt.

Schröder selbst bleibt Antworten zu seiner Freundschaft mit Putin indes schuldig. „Ich habe mir früh angewöhnt, darüber nicht zu reden. Freundschaft hat etwas damit zu tun, dass es nicht öffentlich ausgebreitet wird“, sagt der Altkanzler über sein Verhältnis zu dem Russen. Eine Freundschaft nicht verraten, dass wollte einst auch Helmut Kohl nicht, als es darum ging, von wem die CDU einige anonyme Spenden erhielt. Der jetzige CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble weiß jedoch, was er von Schröders Geschäften mit russischen Gaskonzernen hält. „Ein deutscher Bundeskanzler sollte das nicht machen.“

Gerhard Schröder, das war und ist immer auch ein Mensch mit gelebten Widersprüchen. Ein Politiker, der sich darüber freut, wenn in seiner Stasi-Akte „geistige und sprachliche Beweglichkeit sehr weit entwickelt“ steht. Aber auch ein Noch-Ehemann, dessen vierte Ehe sich in Scheidung befindet, und der öffentlich eingesteht: „Wenn etwas schief gegangen ist, lag das mehr an mir als den Frauen“. Vielleicht ist die Zeit für Versöhnung doch gekommen, auch mit Altkanzlern.

„Mensch Schröder! – Arbeiterkind, Staatsmann, Strippenzieher“, ZDF, Dienstag, 20 Uhr 15

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