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Ein letztes Mal als Familie: Richard Kornitzer (Ronald Zehrfeld) und seine Frau Claire (Johanna Wokalek) müssen ihre Kinder nach England fortschicken.

© ZDF und Walter Wehner

TV-Zweiteiler "Landgericht": Endsieg der Bürokraten

Aus Ursula Krechels „Landgericht“ ist ganz großes Fernsehen geworden, mit Ronald Zehrfeld und Johanna Wokalek als Ehepaar Kornitzer.

Da geht sie hin, Finale eines Totentanzes in immer langsamer und immer trostloser werdenden Fernsehszenen: Die Familie Kornitzer ist ausgelöscht. Hitler und seine Bürokraten haben gesiegt, obwohl der Diktator längst tot ist.

Jahre nach dem Krieg, die zierliche Mutter Claire bricht in ihrem Zuhause zusammen, erdrückt von der Last zusammenzuhalten, was nie mehr zusammenzuhalten war. Der Vater Richard Kornitzer, der aus dem kubanischen Exil nach Deutschland zurückgekehrte jüdische Richter, der an seinen Kollegen, den Helfern der braunen Henker, zerbrochen ist, tritt an der Hand seiner unehelichen Tochter ins Nirgendwohin ab.

Georg und Selma, die Kinder der Kornitzers, sind zu Engländern geworden und ihren Eltern entfremdet. Sie kommen trotzdem zur Beerdigung der Mutter und beginnen jetzt, wo es zu spät ist, zu ahnen, welches Unrecht geschehen ist. So sehen Triumphe der Abschottungsbürokraten aus – vor Hitler und leider auch nach ihm.

Die Journalistin und Schriftstellerin Ursula Krechel schrieb auf über 500 Seiten einen Roman über die physische und seelische Zerstörung der Familie Kornitzer. Er beruht auf Fiktion, aber auch auf einer realen Vorlage und vielen historisch genau recherchierten Details. Eine Jury aus Literaturfachleuten verlieh Krechel 2012 dafür den Deutschen Buchpreis. Die grandiose Verfilmung (Buch: Heide Schwochow, Regie: Matthias Glasner, die fabelhafte Besetzung des Kornitzer-Ehepaares mit Johanna Wokalek und Ronald Zehrfeld) respektiert den respektablen Roman, wie er ist. Jede Einstellung der Kuba-Episode widerlegt, dass es sich bei Kornitzers Liebesaffäre mit einer Lehrerin um eine leichtsinnige Erfindung zur Erlangung von schönen Sexbildern handeln könnte.

Ins Exil nach Kuba

Was Krechel schildert, klingt zunächst nach Glück im Unglück: Der jüdische Richter Richard Kornitzer kann 1939 gerade noch rechtzeitig ins Exil nach Kuba fliehen. Aber der Preis ist hoch, am Ende zu hoch. Seine „arische“ Ehefrau Claire muss er in Nazi-Deutschland zurücklassen. Von den Kindern der beiden, dem achtjährigen Georg und der fünfjährigen Selma, hat sich das Paar unter Schmerzen getrennt und sie auf einen Transport nach England geschickt. Und noch mal erscheint es wie Glück im Unglück: Alle Kornitzers kommen lebend durch den Krieg, können wieder zueinander Kontakt finden, aber nie mehr als Eltern und Kinder zusammenleben.

Der Film zeigt ein elegantes, aufgeschlossenes, sehr heutig wirkendes Paar, wenig interessiert an Politik, voller Skepsis gegenüber religiöser Herkunft. Für ihn und Claire, bis die Nazis kommen, eine erfolgreiche Unternehmerin in der neuen Branche Kinowerbung, gibt es nur zwei Leidenschaften, den Erfolg im Beruf und die Sorge um die Erziehung ihrer Kinder. Claire und Richard widersprechen so dem Holocaust-Klischee von den geduckten Elendsgestalten.

Zehrfeld („Der Staat gegen Fritz Bauer“) und Wokalek („Die Päpstin“) sind unter der Regie Glasners meisterlich in der Kunst schauspielerischer Zurückhaltung. Zehrfeld spielt überzeugend einen in sich gekehrten Mann, einen sich schuldig fühlenden Vater, einen nur durch juristische Professionalität innerlich zusammengehaltenen, in der Nachkriegszeit wieder von Alliierten eingesetzten Richter.

Schweigen und Schreien

Wokalek, in deren Figur Claire, man merkt es, sich Drehbuchautorin Schwochow „verliebt“ hat, will das Unrecht, das sie um die Nähe zu ihren Kindern (in allen Alterstufen glänzend besetzt) gebracht hat, mit selbst auferlegter Beherrschung betäuben. Eine herzzerreißende Überanstrengung, besonders, wenn sie miterleben muss, wie ihre Kinder sich von ihr entfernen. Auch sie spielt ein ergreifendes Opfer, das sich unter Qualen zum Herunterschlucken verurteilt. Cum tacent clamant, sagen die Lateiner (Indem sie schweigen, schreien sie) – Zehrfeld und Wokalek erheben dieses theatralische Paradoxon zu eindrucksvoller Kunst.

Wie gut, dass sich die UFA-Produzenten Benjamin Benedict, Nico Hofmann und Sebastian Werninger nicht von Stilkritikastern, die Krechel verunglückte Metaphern vorwerfen und ihr mangelnde philologische Sorgfalt im Ausweisen der Quellen ihres Romans ankreiden, haben beeinflussen lassen und „Landgericht“ zu einem Fernsehereignis machten. Da steht es nun eindrucksvoll neben einem Film wie „Unsere Väter, unsere Mütter“ und handelt von Menschen, die weder unser sein durften noch Väter oder Mütter.

„Landgericht: Geschichte einer Familie“, Montag und Mittwoch, 20 Uhr 15 im ZDF

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